Wie fühlt sich Demenz an? Die Künstlerin Cornelia Rößler lädt gemeinsam mit der Alzheimergesellschaft Schleswig-Holstein zu einer „Reise des Vergessens“ ein. Das Projekt findet an fünf Orten in Schleswig-Holstein statt. Die erste Station war Dagebüll-Fahretoft.
Gereist wird mit dem Bus. Und zwar ganz real: Für ihr Projekt „Reise des Vergessens“ hat die Künstlerin Cornelia Rößler einem ehemaligen Linienbus innen neu dekoriert. So sind alle Sitze mit zusammengenähten Kleidungsstücken bezogen, die Fenster mit großformatigen Fotos beklebt. Sie zeigen die Wohnungen von Menschen, die dementiell erkrankt sind. Zu sehen sind unter anderem Merkzettel, mit denen sich die Bewohner selbst zur Ordnung rufen, etwa mit der Hinweis: „Trinken!“
Wenn der Bus den Motor startet, beginnt drinnen ein Film zu laufen. Auf Leinwänden, die vor den Fenstern nach vorne und hinten angebracht sind, laufen Bilder, die der echten Landschaft draußen ähneln. Aber je länger die Fahrt dauert, desto mehr gehen Wirklichkeit und Film auseinander. Das Gefühl der Verwirrung steigt, weil der Film schneller abläuft, als der Bus tatsächlich fährt.
„Ich weiß nicht, ob sich eine Demenz tatsächlich so anfühlt“, sagt Rößler. „Aber Betroffene haben mir erzählt, dass sie dieses Gefühl der Unsicherheit kennen.“
2012 hat sie bereits eine „Reise des Vergessens“ in Frankfurt am Main organisiert. Jetzt ist Schleswig-Holstein dran. Möglich ist das durch die Alzheimergesellschaft Schleswig-Holstein und eine Förderung aus dem Topf des Bundesministeriums für ländliche Räume. „Das Thema war Kunst im ländlichen Raum“, berichtet Swen Staack, Geschäftsführer der Alzheimergesellschaft. „Wir hatten uns kaum Chancen ausgerechnet und sind umso froher, dass es geklappt hat.“
95.000 Euro gab es an Fördermitteln. Daraus musste unter anderem der Bus angeschafft werden. Neben dem Kunstprojekt, das Verständnis für die Krankheit Alzheimer schaffen soll, geht es um Netzwerkbildung und Kontakte im ländlichen Raum.
Im Dagebüller Ortsteil Fahretoft hat das bereits gut geklappt: Der Andrang auf den Bus war groß, auch Vorträge und ein Klönschnack im Gemeindehaus wurden gut angenommen.
Im kommenden Jahr soll die „Reise des Vergessens“ in weiteren vier Orten im Land stattfinden. Die Kommunen stehen aber noch nicht fest. Eine ausführlichere „Reisereportage” lesen Sie in der nächsten EPPENDORFER-Printausgabe, die am 5. November erscheint.
Esther Geißlinger