Menschen mit Depression geht es
schlechter – mehr Suizidversuche

Die Corona-Maßnahmen führen zu massiven Einschnitten in der Versorgung psychisch erkrankter Menschen. Aktuell berichten 44% der Menschen mit diagnostizierter Depression von einer Verschlechterung ihres Krankheitsverlaufs in den letzten 6 Monaten bis hin zu Suizidversuchen. Auch für die Allgemeinbevölkerung ohne psychische Erkrankung ist die Situation aktuell deutlich belastender als im 1.Lockdown. Immer mehr ziehen sich zurück, die Sorgen um die berufliche Zukunft und die familiäre Belastung nehmen zu. Das zeigt eine heute veröffentlichte Sondererhebung des „Deutschland-Barometer Depression“ – eine jährliche, repräsentative Bevölkerungsumfrage zu Depression, die 2017 von Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Deutsche Bahn Stiftung initiiert wurde. Befragt wurden 5.135 Personen zwischen 18 und 69 Jahren aus einem repräsentativen Online-Panel im Februar 2021.

Für Menschen, die sich gerade in einer depressiven Krankheitsphase befinden, hat der 2. Lockdown besonders negative Auswirkungen. Fast alle berichten der Erhebung zufolge über fehlende soziale Kontakte (89%, +15 Prozentpunkte seit dem 1. Lockdown), Bewegungsmangel (87%, +7 Prozentpunkte) oder verlängerte Bettzeiten (64%, + 9 Prozentpunkte). „Für Depressionspatienten sind Bewegung, ein geregelter Tagesablauf und ein fester Schlaf-Wachrhythmus wichtige unterstützende Bausteine in der Behandlung. Wenn diese wegbrechen, kann das den Krankheitsverlauf der Depression negativ beeinflussen“, erläutert Prof. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Inhaber der Senckenberg-Professur an der Goethe-Universität Frankfurt/Main.

Insgesamt 44% der Befragten mit diagnostizierter Depression geben an, dass sich Corona-bedingt ihre Erkrankung in den letzten 6 Monaten verschlechtert habe. Jeweils 16% der depressiv Erkrankten berichten von einem Rückfall oder einer Verschlechterung der depressiven Symptomatik. 8% hatten Suizidgedanken oder suizidale Impulse. Unter den Befragten mit diagnostizierter oder selbst-diagnostizierter Depression (N = 1.994) berichten sogar 13 Personen, im letzten halben Jahr einen Suizidversuch unternommen zu haben. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung würde das allein für diese Gruppe Betroffener circa 140.000 Suizidversuche innerhalb eines halben Jahres ergeben. „Die Maßnahmen gegen Corona führen zu Versorgungsdefiziten und depressions-spezifischen Belastungen, die gravierende gesundheitliche Nachteile für die 5,3 Millionen Menschen mit Depression in Deutschland bedeuten. Besonders die Zahl der Suizidversuche bereitet mir Sorge. Es ist dringend notwendig, bei der Entscheidung über Maßnahmen gegen Corona den Blick nicht nur auf das Infektionsgeschehen zu verengen. Es müssen auch Leid und Tod systematisch erfasst werden, die durch die Maßnahmen verursacht werden“, so Hegerl. Eine systematische, repräsentative Erhebung der Suizidversuche wäre hier ein Baustein.

Sein Tipp, um besser mit der belastenden Situation umzugehen: ein Wochenplan, in dem stundenweise die Aktivitäten für jeden Tag eingetragen werden, neben Pflichten sollte dabei auch Angenehmes eingeplant werden. „Manche können in der Corona-Krise auch Chancen entdecken und sich einem neuen Hobby, Sport oder einem dickeren Buch zuwenden. Wichtig ist auch ein geordneter Schlaf-Wachrhythmus mit Bettzeiten, die bei ca. 8-9 Stunden liegen sollten“, empfiehlt Hegerl. „Längere Bettzeiten und ein Sich-tagsüber-Hinlegen führen bei den meisten depressiv Erkrankten zu einer Verschlechterung der Depression und zunehmenden Schlafstörungen“, so Hegerl.

(rd/Quelle: Stiftung Deutsche Depressionshilfe)