Lockdown & Depression:
Befragung zeigt massive Folgen

Menschen mit Depressionen wurden einer Untersuchung zufolge deutlich mehr durch die Corona-Maßnahmen belastet als die Allgemeinbevölkerung. Symbolfoto: pixabay

Bei jedem zweiten depressiv Erkrankten verschlechterte sich die Versorgungssituation während des ersten Lockdown im Frühjahr, etwa durch Ausfall von Terminen bei Ärzten oder Psychotherapeuten. Die Maßnahmen gegen die Virusverbreitung  wurden von Ihnen als deutlich belastender erlebt als von der Allgemeinbevölkerung.  Das zeigt das heute veröffentlichte vierte „Deutschland-Barometer Depression“ der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Dafür wurden 5.178 Personen zwischen 18 und 69 Jahren aus einem repräsentativen Online-Panel im Juni/Juli 2020 befragt.  Gefördert wurde die bundesweite Befragung durch die Deutsche Bahn Stiftung. Die Deutsche Depressionshilfe fordert vor dem Hintergrund Ergebnisse, bei künftigen Corona-Maßnahmen negative Folgen für psychisch Erkrankte stärker zu berücksichtigen. 

Depressiv Erkrankte hatten nicht mehr Angst, sich mit dem Corona-Virus anzustecken als die Allgemeinbevölkerung (43 % versus 42 %). Der Lockdown wurde jedoch im Vergleich zur Gesamtbevölkerung als deutlich belastender erlebt (74 % versus 59 %). So leiden Betroffene fast doppelt so häufig unter der fehlenden Tagesstruktur wie die Allgemeinbevölkerung (75 % versus 39 %). In der häuslichen Isolation blieben depressiv Erkrankte zudem deutlich häufiger tagsüber im Bett als die Allgemeinbevölkerung (48 % versus 21 %). „Menschen in einer Depression sind hoffnungslos und erschöpft. Eine fehlende Tagesstruktur erhöht das Risiko, dass sich Betroffene grübelnd ins Bett zurückziehen. Lange Bettzeiten können die Depression jedoch weiter verstärken. Ein Teufelskreis beginnt“, erläutert Prof. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Inhaber der Senckenberg-Professur an der Goethe-Universität Frankfurt/Main. Während die Allgemeinbevölkerung (58 %) dem veränderten Leben in der Corona-Krise auch Positives abgewinnen kann (z.B. den Frühling bewusster erlebt hat), war dies bei depressiv Erkrankten weniger der Fall (38 %). Auch Wochen nach dem Lockdown fühlen sich Betroffene durch die Situation belastet. Im Juli 2020 gaben 68 % der depressiv Erkrankten und nur 36 % der Allgemeinbevölkerung an, die Situation als bedrückend zu empfinden.

Schlechtere Versorgung 

Jeder zweite Betroffene (48 %) berichtet von ausgefallenen Behandlungsterminen beim Facharzt oder Psychotherapeuten während des Lockdowns. Jeder zehnte an Depression erkrankte Befragte erlebte sogar, dass ein geplanter Klinikaufenthalt nicht stattfinden konnte. 13 % der Betroffenen gaben an, von sich aus Behandlungstermine aus Angst vor Ansteckung abgesagt zu haben. „Depression ist eine schwere, oft lebensbedrohliche und dringend behandlungsbedürftige Erkrankung. Hochgerechnet auf die Bevölkerung in Deutschland haben mehr als zwei Millionen depressiv erkrankte Menschen eine Einschränkung ihrer medizinischen Versorgung mit entsprechenden gesundheitlichen Folgen durch die Corona-Maßnahmen erlebt. Nur bei Beachtung dieser negativen Folgen kann die richtige Balance gefunden werden – eine Balance zwischen Leid und Tod, die durch die Corona-Maßnahmen einerseits möglicherweise verhindert und andererseits konkret verursacht werden“, betont Hegerl. 

Mehr Akzeptanz für digitale und telefonische Behandlung

Um der Versorgungslücke entgegen zu wirken, erhielten Ärzte und Psychotherapeuten im Frühjahr 2020 die Möglichkeit, Videosprechstunden oder telefonische Behandlungen bei den Krankenkassen abzurechnen. Patienten sind mit den Telefon- und Video-Sprechstunden beim Psychotherapeuten sehr zufrieden: 82 % bzw. 85 % bewerten diese positiv. Auch im Zeitverlauf zeigt sich eine größere Akzeptanz digitaler Angebote: Beim ersten Deutschland-Barometer Depression 2017 sahen 40 % der depressiv Erkrankten Online-Programme als hilfreiche Unterstützung an, jetzt sind es 55 %. Auch Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes nahmen in dieser Zeit ab (von 70 % auf 55 %). 


Weitere Informationen über Hilfsmöglichkeiten und Projekte unter: www.deutsche-depressionshilfe.de