Die Regierung macht sich an die Legalisierung von Cannabis, aber es wird vorerst nicht einfach im Laden verkauft werden. Minister Lauterbach setzt auf nicht-kommerzielle Vereine, Kontrolle und Aufklärung. Die Union lehnt das Vorgehen strikt ab. Die Diskussion geht im Bundestag weiter, und mit Änderungen ist zu rechnen.
Das Kabinett beschloss am Mittwoch in Berlin einen Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), wonach Erwachsenen der Besitz und Anbau von Cannabis in begrenztem Umfang erlaubt werden soll. Kritik kam auch aus den Ländern. Die Union warf der Ampel-Koalition vor, sie stelle Ideologie über Gesundheitsschutz. Die Legalisierung ist ein zentrales Projekt von SPD, Grünen und FDP.
Lauterbach sprach von einem wichtigen Gesetz, das eine dringend notwendige Wende in der Drogenpolitik herbeiführen werde. Der Konsum wachse, ohne dass die Politik darauf bisher eine Antwort gefunden habe. Die Drogenkriminalität nehme zu, und Cannabis auf dem Schwarzmarkt sei durch Beimischungen gefährlicher als früher. Diesen Problemen wolle man mit einer „kontrollierten Legalisierung“ begegnen, sagte der Minister.
Drei Pflanzen im Eigenanbau erlaubt
Dem Entwurf zufolge ist der Besitz von 25 Gramm Cannabis künftig für über 18-Jährige legal. Zu Hause dürfen Erwachsene bis zu drei Pflanzen anbauen. In Anbau-Vereinen können sich Menschen zusammentun, um unter kontrollierten Bedingungen Cannabis zu produzieren. An Mitglieder dürfen bis zu 50 Gramm pro Monat abgegeben werden, an 18- bis 21-Jährige bis zu 30 Gramm. Die Vereine mit bis zu 500 Mitgliedern brauchen eine behördliche Erlaubnis und müssen Qualitätsstandards für den Anbau sowie Sicherheitsauflagen erfüllen.
Lauterbach erhofft sich insbesondere von diesem nicht-kommerziellen Modell eine Alternative zum Schwarzmarkt. Mariuhana und Haschisch würden in kontrollierter Qualität und zu günstigem Preis an die Mitglieder abgegeben, sagte er: „Das wird funktionieren“. Er glaube, dass der deutsche Weg der bisher beste Versuch der Legalisierung von Cannabis sei.
Warnungen vor schweren Gesundheitsschäden
Für Jugendliche bleiben Besitz und Konsum von Cannabis verboten. Man werde den Kinder- und Jugendschutz ausdehnen und für mehr Aufklärung sorgen, sagte Lauterbach. Das Gehirn von unter 25-jährigen Menschen werde durch Cannabis-Konsum geschädigt. Er wolle dafür sorgen, dass sich dieses Wissen überall verbreite, versicherte der Minister. Das Motto der Kampagne ist: „Legal, aber…“ mit Warnungen vor schweren Gesundheitsschädigungen.
Das Gesetz kann nun vom Bundestag und Bundesrat beraten werden. In einem weiteren Entwurf will Lauterbach in diesem Jahr gesetzliche Regeln für den Verkauf von Cannabis vorlegen. Er soll zunächst in Modellregionen erprobt werden. Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther sprach von der „zweiten, entscheidenden Säule der Cannabislegalisierung“. Ursprünglich wollte die Ampel-Koalition den Verkauf bundesweit freigeben. Daran ist die Regierung aber Lauterbach zufolge durch EU-Recht gehindert.
CDU: Legalisierung wird zu Konstumsteigerung führen
Die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Silvia Breher (CDU), warf der Ampel-Koalition vor, den Kinder- und Jugendschutz „komplett über Bord zu werfen“. Die Legalisierung werde zu einer Steigerung des Konsums führen, sagte sie. Die Regierung ignoriere die Warnungen von Kinder- und Jugendärzten vor den extremen Gesundheitsgefahren für junge Menschen.
Aus den Bundesländern kam Kritik von CDU-Innenministern. Der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) sagte dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Mittwoch): „Mit diesem Gesetz wird ein kompletter Kontrollverlust verbunden sein.“ Sein nordrhein-westfälischer Amtskollege Herbert Reul (CDU) warnte, die Ampel werde Polizei und Justiz nicht weniger, sondern stärker belasten. „Das geplante Cannabisgesetz beinhaltet eine Vielzahl von Regeln, Verboten und Beschränkungen. All das muss kontrolliert werden“, sagte der CDU-Politiker.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) wies die Kritik zurück, dass das Gesetz zu einer zusätzlichen Belastung der Justiz führe: „Generell gilt: Wenn Menschen auf legale Weise Cannabis kaufen und konsumieren können, werden die Fälle weniger, die vor Gericht landen“, betonte der Bundesjustizminister.
Mit Veränderungen des Gesetzentwurfs ist im Zuge der Diskussion im Bundestag zu rechnen. Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther erklärte auf Instagram: „Noch ist der Gesetzentwurf an vielen Stellen zu restriktiv, umso motivierter gehen wir in die parlamentarischen Beratungen, damit wir möglichst viele Verbesserungen erreichen. ” Sie setze sich für eine Beschlussfassung bis spätestens Ende des Jahres ein.
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) sprach in einem Statement von einem „Experiment mit (un)vorhersehbaren Folgen”. Die im Gesetz formulierten Maßnahmen im Bereich Prävention und Behandlung, Jugendschutz sowie Begleitforschung seien bei Weitem nicht ausreichend, so dass zu befürchten sei, dass das Gesetz zu einer deutlichen Verschlechterung der Gesundheit Jugendlicher führen werde. „Die Altersgrenze für den Konsum ist zu niedrig, die freigegeben Mengen sind zu hoch.”
(epd/rd)
(Einen ausführlichen Bericht über die Expertenkritik lesen Sie in der aktuellen Printausgabe 5/23)