Neubau auf dem
„Nervenhügel”

Viel Grün bietet der Blick in den Innenhof des Altbaus, indem die Kieler Unipsychiatrie bislang untergebracht ist. Foto: ZIP

Das Zentrum für Integrative Psychiatrie (ZIP) in Kiel wird neu gestaltet. Moderner und geräumiger soll das neue Bettenhaus der Unipsychiatrie werden – aber Psychiatrieerfahrene und Mitglieder der Unabhängigen Beschwerdestelle kritisieren, dass sie in die Planungen nicht einbezogen waren. 

„Nervenhügel“ wurde das Gelände am Kieler Niemansweg früher flapsig genannt. Die ersten Häuser entstanden bereits im 19. Jahrhundert. Sie sind aus heutiger Sicht zu klein und zu unmodern, unter anderem gibt es noch zahlreiche Drei- und Vierbett-Zimmer. Das soll sich mit dem Um- und Neubau ändern, sagt die Kieler ZIP-Geschäftsführerin Annette Nedderfeld. Sie freut sich auch über die geplante Bewegungshalle: „Super-gut für die Patienten.“ 

Der Entwurf des Lübecker Architekturbüros tjs  sieht mit Glas überdachte Innenhöfe, eine moderne Geriatrie und nach aktuellen Konzepten geplante Stationen vor. Bis 2026 sollen auf knapp 19.000 Quadratmetern Zimmer für 111 Betten in der Erwachsenen-Psychiatrie, 41 Betten im Kinder- und Jugendbereich sowie eine neue Station für Heranwachsende mit 21 Plätzen entstehen. Etwa 70 Millionen Euro wird der Bau kosten, das Geld stammt zu einem großen Teil vom Land, den Rest trägt das ZIP, das zum Universitätsklinikum Schleswig-Holstein gehört. Gebaut werde im laufenden Betrieb, eine hohe Anforderung besonders für das Personal. Immerhin: „Bei der Planung konnten sich die Beschäftigten einbringen, damit es von den Arbeitsabläufen später möglichst gut funktioniert“, sagt Nedderfeld.

Nicht eingebunden waren dagegen „die Menschen, die es am meisten betrifft“, nämlich die Psychiatrieerfahrenen und deren Organisationen, sagt Wolfgang Theede, Mitglied der Unabhängigen sozialpsychiatrischen Beschwerdestelle (UsB). „Es wäre schlauer, wenn die mal auf die Pläne hätten draufschauen können.“ Über die Köpfe der Betroffenen hinweg eine solche Maßnahme zu planen, passe nicht mehr in die heutige Zeit und widerspreche der UN-Behindertenrechtskonvention, kritisiert er.

Unklarheiten in Sachen Gartenzugang

Christian Sach und Thomas Bartels von der Aktionsgemeinschaft Handlungsplan, einem Netzwerk von Menschen mit psychischen Erkrankungen, beunruhigt die Frage, ob es im neuen ZIP möglich sein wird, von den geschützten – also geschlossenen – Stationen in den Garten zu gelangen. Die Chance, pro Tag eine Stunde an die frische Luft zu gehen, ist im neuen Landesgesetz für Untergebrachte vorgeschrieben. „Wenn die Leute nicht direkt in den Garten gehen können, sondern vom Personal gebracht werden müssen, soll mir mal einer erklären, wie das mit dem jetzigen Personalschlüssel möglich sein soll“, sagt Bartels.

Sowohl die UsB als auch die AG Handlungsplan haben ihre Bedenken in verschiedenen Gremien angesprochen und sich auch direkt an das ZIP gewandt. Antwort gab es nicht, berichten sie.

Annette Nedderfeld widerspricht: „Wir haben geantwortet, allerdings gab es darauf keine Erwiderung.“ 

Alles nur ein Missverständnis?

Also alles nur ein Missverständnis? Klar ist, dass aus Sicht des ZIP die Planungen im Prinzip abgeschlossen sind. Der Grund ist unter anderem, dass das Land als Bedingung für Fördergeld gewisse Standards verlangt. Christian Sach sieht das kritisch: „Eine Psychiatrie funktioniert eben nicht so wie eine Klinik der Organmedizin, der funktionale UKSH-Umbau kann nicht eins zu eins auf den ZIP-Neubau übertragen werden.“

Allerdings betont Annette Nedderfeld, dass im laufenden Bauverfahren durchaus noch einiges geht. Allein durch die Corona-Pandemie haben sich Pläne, Verfahren und Arbeitsweisen geändert. „Der Bauabschluss ist 2026, bis dahin kann noch vieles passieren“, so die Geschäftsführerin. Zur Frage nach dem Gartenzugang sagt Nedderfeld: „Es ist geplant, dass alle geschützten Stationen Zugang zum Garten haben. Wer auf einer anderen Station untergebracht ist, kann das Haus ja ohnehin verlassen und den Park nutzen.“ Für Gespräche mit der UsB und der AG Handlungsplan sei sie bereit. Esther Geißlinger