Bei jedem fünften Beschäftigten in Deutschland – 20 Prozent – wurde schon einmal eine Depression diagnostiziert. Das geht aus dem 5. Deutschland-Barometer Depression der Stiftung Deutsche Depressionshilfe hervor. An der repräsentativen Befragung nahmen im September rund 5300 Erwachsene bis 69 Jahre teil, darunter über 3800 Beschäftigte.
Die Zahlen sind hoch. „In der Gesamtbevölkerung ist es so, dass jedes Jahr in Deutschland etwa acht Prozent der Erwachsenen unter einer behandlungsbedürftigen Depression leiden“, nannte der Vorstandschef der Stiftung, Professor Ulrich Hegerl zum Vergleich. Zumal weitere 19 Prozent der befragten Arbeitnehmer vermuten, schon einmal im Leben an Depression erkrankt gewesen zu sein – bisher jedoch ohne eine ärztliche Diagnose. Einen Suizid oder Suizidversuch eines Kollegen haben bereits 15 Prozent der Mitarbeiter erlebt.
Das große Schweigen
Die Mehrheit der Beschäftigten mit Depression spricht am Arbeitsplatz nicht über die Erkrankung. Nur ein Drittel der Betroffenen gab an, offen im beruflichen Umfeld damit umzugehen – mit zumeist positiven Erfahrungen (70 Prozent). Zu den Homeoffice-Auswirkungen berichtete ein Drittel der 1123 Umfrageteilnehmer, die während der Pandemie überwiegend zu Hause waren, dass der Verzicht auf den Arbeitsplatz und den Umgang mit Kollegen sich negativ auf das psychische Befinden ausgewirkt habe. Jeder Zehnte berichtete, dies treffe sogar „sehr zu“.
Unternehmen sollten dringend „Basiswissen und auch Handlungskompetenz zu Depression und Suizidprävention aufbauen“, forderte Prof. Ulrich Hegerl. Er riet zu Schulungen von Personalverantwortlichen und Führungskräften und Informationen für alle Mitarbeiter, damit Betroffene rascher den Weg in eine professionelle Behandlung finden. Ein neuer Ansatz seien zudem Peer-Beratungen in Unternehmen. Hier bieten Mitarbeiter mit Depressionserfahrung niederschwellige Beratungen für Kollegen an – und das vertraulich z.B. am Telefon oder persönlich außerhalb des Betriebes.
Das Deutschland-Barometer Depression zeige auch, dass die Rolle der Arbeit für die Entstehung von depressiven Erkrankungen überschätzt und gleichzeitig die Bedeutung der Veranlagung unterschätzt wird, meint Hegerl. Häufig werde Überforderung fälschlicherweise als Ursache und nicht als Folge der Depression angesehen. Dies erkläre, warum 68 Prozent angeben, dass sie glauben, dass Urlaub bei Depression hilft. 63 Prozent der Bundesbürger gehen davon aus, dass ausruhen und viel schlafen die Depression lindert. „Das Gegenteil ist der Fall: Langer Schlaf verschlechtert bei den meisten die Depression. Schlafentzug ist dagegen ein etabliertes Behandlungsverfahren in Kliniken. Auch Urlaub lindert die Depression nicht, da die Erkrankung mitfährt. Die Behandlung der Depression erfolgt gemäß den nationalen Leitlinien mit Antidepressiva und/oder Psychotherapie“, so Prof. Ulrich Hegerl. (rd)
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