Jugendliche mit vorwiegend Erziehungsdefiziten und gestörtem Sozialverhalten dürfen nicht in der geschlossenen Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht werden. Auch bei Anzeichen einer psychischen Störung sei die Unterbringung dort rechtswidrig, wenn bei dem Jugendlichen in erster Linie erzieherische Maßnahmen, etwa in einer offenen oder notfalls geschlossenen Jugendhilfeeinrichtung, angezeigt sind, entschied der Bundesgerichtshof in einem am Montag in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss. (AZ: XII ZB 164/24)
Im entschiedenen Fall ging es um einen 16-Jährigen, der im vergangenen Jahr für drei Monate in der geschlossenen Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht war. Seine Mutter und ein Ergänzungspfleger hatten die freiheitsentziehende Maßnahme nach häufigem Schuleschwänzen und zahlreichen Unterbringungen in Jugendhilfeeinrichtungen beantragt.
Sowohl das Familiengericht als auch das Oberlandesgericht Oldenburg begründeten die Unterbringung des Jugendlichen damit, dass er lernen müsse, sich an Regeln zu halten. Es lägen eine Störung des Sozialverhaltens und ein „erheblicher Therapiebedarf“ vor. Ein Gutachter hatte erklärt, es gebe Hinweise auf eine Zwangsstörung und eine „depressive Entwicklung“. Eine Unterbringung in einer geschlossenen Jugendhilfeeinrichtung kam mangels Plätzen nicht in Betracht.
Der 16-Jährige wollte vom Bundesgerichtshof feststellen lassen, dass seine inzwischen beendete Unterbringung in der geschlossenen Kinder- und Jugendpsychiatrie rechtswidrig war. Das hat das Karlsruher Gericht bestätigt.
Für die Unterbringung in der geschlossenen Kinder- und Jugendpsychiatrie bedürfe es eines ausreichenden medizinischen Grundes, hieß es zur Begründung. Bei dem 16-Jährigen lägen jedoch vorwiegend erzieherische Defizite und eine Störung des Sozialverhaltens vor, denen mit pädagogischen Maßnahmen, etwa mit der Unterbringung in einer offenen oder geschlossenen Jugendhilfeeinrichtung, begegnet werden müsse. Eine Unterbringung in der Psychiatrie sei bei Anzeichen einer psychischen Störung unverhältnismäßig, wenn die Erziehungsdefizite im Vordergrund stünden. Auch wenn kurzfristig kein Platz in einer geschlossenen Jugendhilfeeinrichtung zur Verfügung stehe, sei das noch kein Grund, den 16-Jährigen in der geschlossenen Kinder- und Jugendpsychiatrie unterzubringen.
(epd)