Die Cannabis-Bilanz

„Wie viel kiffst Du, Deutschland?“ fragt eine swr-Doku. Foto: SWR/Gidon Lasch

Zwischenfazit zum Jahrestag: Am 1. April 2024 trat das Cannabis-Gesetz in Kraft. Es sollte die Kriminalität senken und Konsumenten vor Risiken schützen. Zum Jahrestag am 1. April 2025 äußern sich Vertreter aus Medizin, Polizei und Justiz in der SWR-Doku „Die Cannabis-Bilanz: Wie viel kiffst du, Deutschland?“ darüber, wie sich die Situation innerhalb eines Jahres entwickelt hat.


13 Prozent mehr THC Gehalt im Stuttgarter Abwasser


Der Gehalt des Abbauprodukts THC-Carbonsäure im Abwasser gibt Hinweise darauf, wie viel Cannabis die Menschen einer Region konsumieren. Schon Monate vor dem Cannabis-Gesetz hat die Stadt Stuttgart begonnen, engmaschig Proben zu nehmen, um die Entwicklung des Konsums in der Stadt zu kontrollieren. Die aktuellen Auswertungen zeigen: Der THC-Gehalt im Abwasser ist nach Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes um rund 13 Prozent gestiegen – ein Anstieg, der geringer ausfiel, als ursprünglich von Kritiker:innen des Gesetzes befürchtet. „Das Konsumverhalten in Stuttgart nach der Cannabis-Legalisierung hat sich, wenn man die Messungen im Abwasser betrachtet, nur marginal erhöht“, so Till Heinsohn vom Statistischen Amt Stuttgart.

Gute Bewertungen aus der Psychiatrie

Gute Bewertungen gibt es aus der Psychiatrie. In der zentralen Suchtklinik der Stadt Stuttgart gab es laut SWR im Jahr 2024 von über 6.700 Patientinnen und Patienten um die 60 Fälle, in denen wegen einer Cannabis-Abhängigkeit als Hauptdiagnose behandelt und beraten wurde.
Seitdem Cannabis mit der Legalisierung enttabuisiert wurde, kämen Betroffene früher – und eher freiwillig in die Suchtklinik, erzählt Maurice Cabanis, der Ärztliche Direktor des Klinikums Stuttgart und erster Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin:  “Das, was oft so als großes Risiko vermutet wird und worauf wir uns auch gefasst gemacht haben ist, dass nach der Legalisierung möglicherweise der Konsum zunimmt, […] und dann womöglich auch die Drogen induzierten Psychosen zunehmen. Tatsächlich konnten wir das aber nicht nachweisen“, wird er auf der Homepage von SWR Wissen zitiert. Für den Mediziner sei der Konsum von Cannabis eher ein Warnsignal für eine schon bestehende Erkrankung. Denn wer konsumiert, hatte meist zuvor psychische Probleme durch Schwierigkeiten in der Kindheit, sagt Cabanis.

Cabanis schätzt ein Verbot bis im Alter von 25 Jahren – wie teils gefordert – „als nicht zielführend“ ein. Er halte das aktuelle Gesetz für gut: “Allerdings nicht, weil wir dadurch weniger Patienten hätten, da wird sich vermutlich 0,0 Prozent verändern. Aber wir können sie jetzt anders behandeln.“

Das komplexe an der Substanz: Sie kann gefährlich werden aber sie kann auch helfen, weshalb sie teils auch als Medizin verschrieben wird, Cabanis nennt hier ADHS, PTBS oder auch Depressionen.


Vorbild Kanada? Spurensuche in Vancouver

Reporter Frank Seibert reist für ARD Wissen bis nach Kanada: Hier wurde die Legalisierung bereits 2018 beschlossen, das Land galt als ein Vorbild bei der Entwicklung des deutschen Cannabis-Gesetzes. In Vancouver erlebt Seibert, was sich seit der landesweiten Freigabe getan hat und welche Chancen und Herausforderungen sich offenbart haben. Hier entpuppt sich als Schattenseite: Die THC-Anteile werden offenbar höher. Insider beklagen, dass weniger auf die Qualität als auf THC geachtet werde, viele Sorten hätten einen Anteil von 20 Prozent. Und: Je mehr THC, desto mehr nimmt das Risiko für psychiatrische Nebenwirkungen zu.

Für Justiz und Polizei bedeutet das Cannabis-Gesetz mehr Arbeit

Ein Ziel des Noch- Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) war es, mit der Legalisierung von Cannabis den Schwarzmarkt zu bekämpfen. Susanne Dathe, Oberstaatsanwältin in Stuttgart, sieht dieses Ziel durch das Cannabis-Gesetz nicht erreicht, wie der SWR auf seiner Homepage weiter berichtet: “Eigentlich gehört das neue Gesetz abgeschafft. Es führt zu Mehrarbeit, es erlaubt uns nicht mehr auf die Weise wie bisher die organisierte Kriminalität zu bekämpfen, der Jugendschutz hat sich verschlechtert und der Schwarzmarkt ist weiterhin da.“ Auch, weil es ein Jahr nach der Legalisierung noch immer wenig legale Cannabisquellen gibt. Die meisten Anbauvereine kämpfen noch immer mit den hohen Auflagen, sodass das meiste Marihuana, das ganz legal konsumiert werden darf, erst noch geerntet werden muss.
Auch für die Polizei sei der Ermittlungsaufwand mit der Teil-Legalisierung von Cannabis gestiegen. Dealern muss nachgewiesen werden, dass sie mit dem mitgeführten Cannabis illegal handeln und es nicht zu ihrem eigenen Bedarf besitzen. “Die Problematik ist jetzt, dass wir deutlich mehr investieren müssen, um auch den Dealer zu überführen, dass er gedealt hat und dass es nicht bloß ein einfacher Besitz ist“, erklärt Hendrik Weis, Leiter des Rauschgiftdezernats der Polizei Stuttgart in der Doku. (PM/rd)

„Die Cannabis-Bilanz: Wie viel kiffst du, Deutschland?“ – bis 2030 in der ARD Mediathek