Diakonie warnt: Unerkannte
Kindeswohlgefährdung nimmt zu

Die Diakonie Schleswig-Holstein geht von einer zunehmenden Zahl unerkannter Fälle von Kindeswohlgefährdung in Schleswig-Holstein aus. Hintergrund ist die massiv gesunkene Zahl von Inobhutnahmen gefährdeter Kinder und Jugendlicher seit Beginn der Pandemie. Hinzu komme, dass in der stationären Kinder- und Jugendhilfe neu aufgenommene junge Menschen in den vergangenen beiden Jahren deutlich psychisch belasteter gewesen seien, teilte die Pressestelle der Diakonie weiter mit. Die Diakonie fordert deshalb mehr Personal für die Einrichtungen.

Inobhutnahmen sind kurzfristige Maßnahmen in schweren familiären Krisen, die von den Jugendämtern zum Schutz von Kinder und Jugendlichen angeordnet werden. Dabei werden die jungen Menschen aus den betroffenen Familien genommen und in Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe untergebracht. Seit Beginn der Pandemie seien in den diakonischen Einrichtungen deutlich weniger Kinder und Jugendliche in Obhut genommen worden: 2020 ging die Zahl im Vergleich zu 2019 um zehn Prozent zurück, 2021 waren es den Angaben zufolge 23 Prozent.

„Hier besteht ein klarer Zusammenhang mit der Corona-Krise“, sagt Landespastor und Diakonie-Vorstand Heiko Naß. „Wir gehen davon aus, dass insbesondere während der Lockdowns aber auch durch die verhängten Kontaktbeschränkungen zahlreiche Fälle von Kindeswohlgefährdung unerkannt blieben. Als die Schulen und Kitas geschlossen waren, konnten Erziehende und Lehrende Auffälligkeiten bei jungen Menschen nicht feststellen und melden. Außerdem waren die Jugendämter nur eingeschränkt erreichbar.“

Darüber hinaus habe sich in zahlreichen diakonischen Wohngruppen gezeigt, dass seit Beginn der Pandemie bei Neuaufnahmen die Kinder und Jugendlichen psychisch deutlich belasteter sind. Es sei vermehrt zu Aggressionen und herausforderndem Verhalten gekommen. Ursachen hierfür sind aus Sicht der Betreuenden die Nachwirkungen der Kontaktbeschränkungen, die die Lage in ohnehin belasteten Familien verschärft, zu einer fehlenden Tagesstruktur geführt und coronabedingte Sorgen und Ängste verstärkt hätten.

Vor diesem Hintergrund rechnet die Diakonie in den kommenden Monaten mit einem erhöhten Bedarf an Hilfen zu Erziehung. Dabei herrsche schon jetzt in der Kinder- und Jugendhilfe ein gravierender Fachkräftemangel – bei zunehmenden Anforderungen, etwa an die Dokumentation. Um auch künftig in der stationären Kinder- und Jugendhilfe eine verantwortliche Betreuung gewährleisten zu können, müsse der Personalschlüssel dringend angehoben werden, fordert Der kirchliche Träger.

Unter dem Dach der Diakonie Schleswig-Holstein gibt es rund 1.800 Plätze in der stationären Kinder- und Jugendhilfe. Dazu kommen teilstationäre und ambulanteAngebote sowie zahlreiche Beratungsstellen.