Der Weizsäcker-Prozess und
die Frage der Schuldfähigkeit

In Berlin hat der Mordprozess im Fall Fritz von Weizsäcker begonnen. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt einen derzeit im Maßregelvollzug untergebrachten 57 Jahre alten Lageristen aus Andernach des Mordes und des Mordversuchs. Er soll am 19. November 2019 Fritz von Weizsäcker, den Chefarzt der Berliner Schlosspark-Klinik, nach einem Vortrag in (Vortrags-) Räumen der psychiatrischen Abteilung durch einen Messerstich in den Hals getötet  haben. Ein Polizist wurde beim Versuch, den Angreifer zu überwältigen,  schwer verletzt. Im Zentrum des Prozesses steht die Frage der Schuldfähigkeit.

Der Beschuldigte hat die Tat gestanden. Der Polizei erzählte er laut Tagesspiegel, dass er Richard von Weizsäcker hasste, seitdem er 1991 im „Spiegel“ den Artikel „Der Tod kommt aus Ingelheim“ gelesen hatte. Darin ging es um den Chemiekonzern Boehringer Ingelheim – von Weizsäcker war dort in den 60er Jahren Mitglied der Geschäftsführung – und die Produktion von im Vietnamkrieg eingesetzten Agent Orange, einem für Menschen hochgiftigen Entlaubungsmittel. Anlässlich der aktuellen Prozess-Berichterstattung betont die Boehringer Ingelheim Corporate Center GmbH: „Die in den 90er Jahren aufgestellte Behauptung, unser Unternehmen habe an der Herstellung von Agent Orange mitgewirkt, ist hinreichend widerlegt, u.a. durch einen Untersuchungsausschuss.” Nach dem Tod des Bundespräsidenten 2015 übertrug der Angeklagte seinen fortbestehenden Hass auf dessen Kinder – und stieß schließlich im Internet auf die Vortrags-Ankündigung. 

 Der Beschuldigte soll dem vom Gericht bestellten Gutachter die Kooperation verweigert haben. Daher muss dieser den Angeklagten jetzt vor Gericht beobachten und  Zeugen näher befragen. Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklage davon aus, dass die  Schuldfähigkeit aufgrund einer psychischen Erkrankung „zumindest erheblich vermindert gewesen“ sei. Die Tat war geplant. Der Mann  reiste am 19. November 2019 aus seiner Heimat Andernach an, nachdem er sich dort laut Anklage eine Rückfahrkarte und ein Messer gekauft habe. Aktuell sind noch  fünf weitere Verhandlungstage terminiert. (rd)