Selbsthilfetag in
Zeiten der Pandemie

Drumcircle mit Luftsprung: Helga Reihl (Musikdozentin) animiert Frank Nüsse (Geschäftsführer der Brücke gGmbH), Bürgermeister Jan Lindenau und Joachim Karschny (KinderwegeLlübeck) zum Trommelwirbel mit Masken. Foto: Monika Poppe-Albrecht

Unter den einschränkenden Auflagen des Ordnungsamtes wurde in Lübeck der Erlebnistag Mensch und Lübecker Selbsthilfetag einmal anders ausgeführt: aktiv im kleinen Rahmen und für alle sichtbar trotz Auflagen virtuell im Netz. 

Mit Trommelpercussion vor Ort und über Livestream im Netz sowie mit Wünschen und Forderungen an Politik und Gesellschaft fand der „Erlebnistag Mensch“ auch in diesem Jahr wieder als „Selbsthilfetag Lübeck“ des  Aktionsbündnisses „GEMEINSAM erLEBEN“ in der Hansestadt statt. Mit Statements vom Lübecker Bürgermeister Jan Lindenau und den Aktionspartnern gelang ein aktiver und interaktiver Erlebnistag der besonderen Art.

Der seit 23 Jahren bundesweit stattfindende Europäische Aktions- und Protesttag der Menschen mit Behinderungen fällt nicht zufällig auf das gleiche Datum wie der Europatag (5. Mai) und unterstreicht die Botschaft denn auch „ein einiges Europa für alle Menschen“. „Diese Botschaft ist angesichts des erstarkten Rechtspopulismus in Europa besonders dringlich“, sagt Frank Nüsse, Geschäftsführer der Brücke gGmbH.  Leider seien Kommunikation und soziale Teilhabe, Inklusion wie gemeinsames Erleben, Rechte von Menschen mit Behinderung und Menschen mit psychischer Erkrankung besonders in Zeiten der Corona-Krise keine gelebte Normalität. So galt es in diesem Jahr noch einmal ganz besonders, das Augenmerk darauf zu legen, dass kein Mensch mehr Wert als sei ein anderer und niemand aufgrund von Behinderungen schlechter behandelt und weniger wertgeschätzt werden dürfe. 

Circa 20 Gruppen zu psychischen Erkrankungen und Sucht bis hin zu Selbsthilfegruppen zu sozialen Problemen, chronischen Erkrankungen und Behinderungen beteiligten sich an dem Erlebnistag Mensch und Selbsthilfetag in Lübeck. Federführend dabei sind neben der Brücke gGmbH als größte Lübecker gemeinnützige therapeutische Einrichtung auch KISS Lübeck (Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen in Lübeck), die KinderWege GmbH als gemeinnütziger freier Jugendhilfeträger, FAIRverEINEN (Inklusion & Partizipation), die Lübecker EUTB (Verein zur Förderung der Teilhabe in Lübeck) sowie der Verein Treffpunkt Down-Syndrom. Neben einer Mini-Kundgebung an einem – aufgrund der Auflagen des Ordnungsamtes – nicht öffentlichen Ort waren alle Interessierten eingeladen, sich virtuell zu beteiligen. 

Für den Diplom-Psychologen Matthias Göpfert von der Brücke ist die Situation in diesem Jahr höchst ungewöhnlich. „Nach den drei sehr lebendigen Aktionen in den vergangenen drei Jahren soll bei der diesjährigen Mini-Kundgebung und dem virtuellen Beitrag das Thema Inklusion in diesen außergewöhnlichen Krisenzeiten mit vielen Alltagseinschränkungen noch einmal mehr für die Menschen befördert und Behinderungen erfahrbar gemacht werden“, sagt er. Kollegin Kathrin Roßberg stimmt ihm zu, zumal „ wir seit Mitte März alle mit umfangreichen äußeren Einschränkungen im Alltag gelebt haben.“ 

Auch für Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau ist der Erlebnistag Mensch 2020 in zweierlei Hinsicht bedeutsam: „Menschen mit Behinderungen dürfen nicht ausgegrenzt werden, weil sie anders sind“, unterstreicht er mit Blick auf den Inklusionsplan der Stadt. Darüber hinaus hofft er, dass durch die derzeitige Krise noch einmal mehr Menschen Verständnis und Mitgefühl empfinden für diejenigen, die durch Krankheit und Behinderung tagtäglich eingeschränkt sind.“ Monika Poppe-Albrecht