Druck zur Perfektion
wächst weiter

Immer mehr Menschen legen sich freiwillig unter's Messer, um ihr Aussehen zu optimieren. Symbolfoto: pixabay

Vergrößerte Lippen bei jungen Frauen, Sixpack-OPs bei jungen Männern, Facelifts für die Generation 50plus: Soziale Unterschiede spiegeln sich immer stärker im körperlichen Aussehen wider, was zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft führt. Professor Dr. Ada Borkenhagen von der Universitätsklinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Universität Magdeburg  warnt: Noch nie zuvor waren die Möglichkeiten der körperlichen Selbstoptimierung so vielfältig wie heute. Damit wächst auch der Druck, mithilfe der Schönheitsmedizin die eigene Attraktivität zu steigern.

Schon seit der Antike versuchen Menschen, ihre Attraktivität zu steigern und den Alterungsprozess aufzuhalten. Die moderne Schönheitsmedizin aber hat ein neues Niveau erreicht und setzt ein überdurchschnittliches  Einkommen voraus.  Eingriffe, insbesondere im Anti-Aging-Bereich,  setzen ein überdurchschnittliches Einkommen vor. Borkenhagen erklärt: “Es reicht nicht aus, Falten nur mit Botox zu behandeln. Man benötigt Laserbehandlungen, Straffung der Augenlider, Facelifting und Zahnerneuerung.” Diese Therapien kosten mehrere Tausend Euro pro Jahr und erfordern spezielles Wissen.

Medizin allein genügt nicht …

Doch allein die medizinischen Eingriffe reichen nicht aus, um dauerhaft attraktiv zu bleiben. “Die Schönheitsmedizin kann Menschen zehn Jahre jünger aussehen lassen”, stellt Borkenhagen fest. “Aber um diesen Zustand langfristig zu erhalten, ist ein gesunder Lebensstil erforderlich.” Dazu gehören der Verzicht aufs Rauchen, eine ausgewogene Ernährung, regelmäßiger Sport und die Verwendung von Selbstbräunungsmitteln. “Die Mittelschicht hält sich weitgehend an diese Regeln, auch bei der Erziehung”, erklärt die Expertin.

Gutes Einkommen, Wissen und ein gesunder Lebensstil sind entscheidende Faktoren, um die Attraktivität möglichst lange zu halten.  „Soziale Unterschiede zeigen sich immer stärker im körperlichen Aussehen”, betont Borkenhagen. Studien belegen, dass attraktive Menschen mehr verdienen und besser vor Kündigungen geschützt sind als weniger attraktive Personen. Daraus ergibt sich ein Teufelskreis: Wer mehr verdient, investiert in sein Äußeres, um sein Einkommen weiter zu steigern, was wiederum die Spaltung der Gesellschaft vertieft.

Aktuelle Hypes: Waschbrettbauch und Sanduhrfigur

Immer wieder entstehen neue Schönheitstrends, die verschiedene Körperteile betreffen. “Ein solcher Trend ist das Einspritzen von Eigenfett und Hyaluron, um ein Waschbrettmuster am Bauch zu erzeugen, was vor allem bei Männern in metro- und homosexuellen Kreisen beliebt ist”, berichtet Borkenhagen. Bei Frauen sind derzeit mit Hyaluron aufgespritzte Lippen und die sogenannte Sanduhrfigur im Trend, die in der Regel chirurgische Eingriffe erfordert. “Diese Körperideale werden von Social-Media-Influencern wie den Kardashians geprägt”, so Borkenhagen.

Trends kommen und gehen. Borkenhagen betrachtet körperliche Eingriffe, die Moden folgen, skeptisch und warnt vor den Konsequenzen: “Was machen Mädchen mit aufgespritzten Lippen, wenn sich das Schönheitsideal wieder ändert? Das ist keine vorübergehende Veränderung, die einfach wieder verschwindet.” Zudem sind die langfristigen Auswirkungen des ständigen Aufspritzens auf das Gewebe noch unbekannt.

Piercings und Schamhaarrasur sind out

Ein weiteres Beispiel sind Piercings, deren Höhepunkt im Jahr 2016 überschritten wurde. Wer sich von seinem Körperschmuck trennt, muss mit Narben und Löchern in der Haut rechnen. “Auch Tätowierungen könnten wieder aus der Mode kommen”, prophezeit Borkenhagen. Sie stehen unter dem Verdacht, Krebs zu verursachen, und lassen sich häufig selbst mit Laser nicht vollständig entfernen. Daher kann es positiv sein, wenn Schönheitstrends abflauen, wie beispielsweise bei der radikalen Schamhaarrasur. “Die Schambehaarung nimmt bei jungen Frauen wieder zu”, berichtet Borkenhagen. “Damit gehen auch die chirurgischen Verkleinerungen der Schamlippen zurück.” (rd)