Wittchen und der
„Betrugs-Skandal”

Langjähriges Wirkungsfeld von Prof. Hans-Ulrich Wittchen: Die TU Dresden. Foto: TUD/Eckold

Die Sächsische Zeitung spricht von „Betrugs-Skandal”, ja gar vom „größten Wissenschafts-Betrug“ an der Universität Dresden seit der Wende.  Die Rektorin der TU,  Prof. Ursula M. Staudinger, zeigte sich tief erschüttert, so etwas habe sie bisher noch nicht erleben müssen. Es geht um eine 2,5 Millionen Euro-Studie – die  „ Wittchen-Studie”- ,  für die Daten erfunden worden und deren Ergebnisse vorsätzlich verfälscht worden sein sollen, wie ein jetzt veröffentlichter Untersuchungsbericht feststellte.

Es geht nicht um irgendeine Studie. Es geht um die zentrale Erhebung, die empirisch abgesicherte Antworten auf die Frage liefern sollte, wie viel (bzw. wie wenig) Zeit das Personal aktuell in Kliniken und Ambulanzen zur Verfügung hat. Damit war ihr eine entscheidende Rolle für die künftige Personalausstattung in den deutschen Psychiatrien zugedacht. Die sogenannte PPP-Studie sollte Ausgangsbasis für die Berechnungen für eine neue Richtlinie über die Personalausstattung der stationären Einrichtungen der Psychiatrie und Psycho­so­matik (PPP-RL) sein, die die veraltete Psychiatrie-Personalverordnung ablösen sollte bzw. inzwischen abgelöst hat.

Auftraggeber war der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das zentrale Gremium des deutschen Gesundheitswesens. Nach den erstmals 2019 durch Whistleblower aus dem Mitarbeiterkreis von Wittchen bekannt gewordenen Manipulationsvorwürfen musste der G-BA ohne die Daten über ein neues Personalberechnungs-System entscheiden – und entschied. Das Ergebnis blieb weit hinter den hoffnungsvollen Erwartungen zurück und stieß in der Fachöffentllichkeit auf Enttäuschung und Kritik.

Im Zentrum der Betrugsvorwürfe steht der Psychologie-Professor Hans-Ulrich Wittchen –   langjähriger und ehemaliger Direktor des Instituts für klinische Psychologie und Psychotherapie an der TU Dresden, aktuell Gastprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München  – und einer der weltweit meistzitierten Forscher seines Fachs. Er wurde  zum Projektleiter der bei der Gesellschaft für Wissens- und Technologietransfer (GWT) angesiedelten Studie benannt. Die GWT ist eine Tochterunternehmung der TU Dresden.  

Während Wittchen selbst Fälschungsvorwürfe in einer Stellungnahme zurückwies, listet der Bericht konkrete Manipulationsvorwürfe auf. Offenbar lief den Datenerhebern die  Zeit davon. Eigentlich sollte anhand von einhundert  Einrichtungen die Ist-Arbeitsbelastung des Personals erhoben werden. Doch: Die Kommission sei sich sicher, berichtete die Süddeutsche,  „nur an maximal 73 Einrichtungen waren Mitarbeiter aus Wittchens Team vor Ort, um Daten zu sammeln“. Wenn im Endbericht von 93 die Rede sei, liege dies daran, dass  Wittchen mehrfach angeordnet haben soll, die Daten von bereits besuchten Kliniken auf Kliniken zu übertragen, die überhaupt nicht an der Untersuchung teilgenommen hatten. Der Bericht spricht von „Datenerfindungen” . 

Indizien würden zudem darauf hinweisen, dass der Projektleiter auch nachträglich Akten verfälscht habe und  Projektgelder für private Zwecke verwendet haben und z.B. Restaurantbesuche oder auch Reisen als arbeitsbezogen abgerechnet haben könnte. Ferner ist in der Presse von einem zweifelhaften Arbeitsvertrag mit seiner eigenen Tochter die Rede. (hin)