Betreuung: Grünes
Licht für Reform

Der Bundestag hat die Reform beschlossen, jetzt ist der Bundesrat am Zug. Foto: hin

Der Bundestag hat am 5. März den Weg für eine Reform des Betreuungsrechts frei gemacht.   Die Gesetzesänderungen sollen das Selbstbestimmungsrecht der etwa 1,3 Millionen Menschen, die in Deutschland unter rechtlicher Betreuung stehen,  stärken.

Die Vorlage wurde in einer vom Rechtsausschuss umfangreich geänderten Fassung mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der der FDP bei Stimmenthaltung der AfD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen. Ziel der Reform ist es,  die Autonomie unterstützungsbedürftiger Menschen zu stärken, indem  das Betreuungsrecht am Selbstbestimmungsgedanken der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ausgerichtet wird.

Im nächsten und letzten Schritt muss  noch der Bundesrat über die Reform entscheiden. Diese Entscheidung könnte bei der Sitzung der Länderkammer am 26. März  fallen. Dann könnte das Gesetz am 1. Januar 2023 in Kraft treten.

„Das ist ein großer Fortschritt, der das Qualitätsniveau der rechtlichen Betreuung heben wird“, kommentierte der Vorsitzende des Bundesverbands der Berufsbetreuer/innen (BdB) Thorsten Becker. „Endlich wird die Selbstbestimmung der Klient*innen in den Mittelpunkt der Betreuung gestellt und die Stellvertretung in den Hintergrund gerückt.  „Damit wird Betreuung als Prozess definiert, der Menschen darin unterstützt, eigene Entscheidungen zu treffen, autonom und selbstbestimmt. Das ist gut“, so Becker weiter.  

Die Bundesvorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe Ulla Schmidt sieht in der Verabschiedung einen großen Erfolg für die Lebenshilfe: „Insgesamt sind wichtige Fortschritte erzielt worden, auch Forderungen der Lebenshilfe haben überwiegend Berücksichtigung gefunden, in Summe mehr, als zu erwarten war.” 

Zu den Punkten, die sich ändern, zählen u.a.: Betreute sollen künftig ihre Prozessfähigkeit behalten, bei Gerichtsverfahren werden sie persönlich beteiligt und die Schriftstücke werden ihnen zugestellt. Künftig sollen Betreuungen, die gegen den Willen der betreuten Person eingerichtet werden, spätestens nach zwei Jahren überprüft werden. Betreuer und Betreute sollen sich vorher kennenlernen. Beschwerdestellen sollen eingerichtet werden. Und Sterilisationen gegen den natürlichen Willen von Frauen mit Behinderung sind künftig ausgeschlossen. Die Auswirkungen des Gesetzes sollen nach sechs Jahren evaluiert werden. Eine Bundesfachstelle soll die Entwicklung von Methoden der unterstützen Entscheidungsfindung  fördern.  

Als wichtigen Schritt für den Berufsstand bewertet der BdB, dass künftig ein bundesweit einheitliches Zulassungsverfahren auf der Grundlage persönlicher und fachlicher Eignung zum Beruf führen solle. Thorsten Becker: „Nach fast 30 Jahren wird der Betreuerberuf damit erstmals anerkannt.“ Die Vergütung werde außerdem rechtssicher festgelegt und Herabstufungen werde es nicht mehr geben.  

Umstritten bleibt die „Ehegattenvertretung“ , die von drei auf sechs Monate erweitert wurde und aus Sicht des BdB grundsätzlich dem Selbstbestimmungsgedanken der UN-BRK widerspricht. Thorsten Becker: „Wir lehnen die Ehegattenvertretung daher ab und sehen folglich auch die Erweiterung kritisch.“  

Der Bundesverband der Berufsbetreuer/innen gibt die Gesamtzahl der Betreuungsverfahren Ende 2016 mit knapp 1,3 Millionen an. Laut einer Studie des Iges Instituts im Auftrag des Bundesjustizministeriums aus dem Jahr 2018 wären bis zu 15 Prozent der rechtlichen Betreuungen vermeidbar. Dafür müssten aber andere Hilfen wie der allgemeine Sozialdienst effizienter genutzt werden. (rd)