Dali und Freud

1937 schuf Salvador Dali das Gemälde „Schwäne, die in Elefanten reflektiert werden“.

Dalí entdeckte in den 1920er-Jahren die Schriften Freuds und war gebannt, man kann sagen besessen. Ohne Freud wäre Dali wohl kaum der Dali geworden, den wir kennen. Von den Schriften des Begründers der Psychoanalyse beeinflusst, entwickelte er eine einzigartige Bildsprache. Freuds Skepsis gegenüber dem Surrealismus war jedoch groß. In Wien versuchte Dalí, sein Idol zu treffen – vergebens. Erst im Sommer 1938 kam eine erste und einzige Begegnung in London zustande. Die Wiener Ausstellung DALI – FREUD EINE OBSESSION geht den Verbindungen zwischen Dali, dem Gedankengut Freuds und der Kunst des Surrealisten nach. Auf der Suche nach einem neuen Ansatz wird Dalis Werk erstmals in diesem Kontext präsentiert.


Wien, 25. April 1937: Salvador Dalí steigt im Hotel Krantz-Ambassador ab. Wieder einmal hofft er darauf, Sigmund Freud zu treffen. Er möchte ihn von seiner „paranoisch-kritischen Methode“ überzeugen, Anerkennung für einen künstlerischen Ansatz erhalten, der auf den Theorien der Psychoanalyse basiert und den er für seinen größten und wichtigsten Beitrag zum Surrealismus hält. Doch es gelingt ihm nicht, den Vater der Psychoanalyse zu treffen. Salvador Dalí streift statt dessen durch Wien und spielt im Geiste die ersehnten Gespräche mit Freud durch. Davon zeugen detaillierte Berichte in Dalís 1942 erschienener Autobiografie.

1938 trifft Dali Freud in London

Sie zählt neben surrealistischen Objekten, Fotografien, Filmen, Büchern, Zeitschriften, Briefen und anderen Dokumenten zu en Exponaten der Ausstellung. Zu einer tatsächlichen Begegnung kommt es erst später: Am 19. Juli 1938 trifft Salvador Dalí – auf Initiative des Schriftstellers Stefan Zweig und des Mäzens Edward James – Sigmund Freud in London, wohin der krebskranke Freud vor den Nazis geflohen war. Dalí zeigt Freud das Gemälde Metamorphose des Narziss (1937) und fertigt eine Porträtzeichnung an. Freud bedankte sich später bei Zweig: Zuvor habe er den Surrealisten für einen Narren gehalten, aber der „junge Spanier mit seinen treuherzig fanatischen Augen und seiner unleugbaren technischen Meisterschaft hat mir eine andere Schätzung nahe gelegt”. Dali dagegen soll enttäuscht und gekränkt gewesen sein, weil der Gastgeber nicht über seine paranoisch-kritische Methode hören wollte, über die er einen Aufsatz veröffentlichte und mit der Dali – über Wahnvorstellungen – zu einem neuen Wirklichkeitsbegriff gelangen wollte, so der Spiegel („Traumhafte Neurosen”, Nr. 4/22.1.2022). „Zwei Genies waren einander begegnet, und es hatte keinen Funken gegeben” schrieb Dali später. Seine streng freudianische Schaffensperiode ging zu Ende.


Die Ausstellung zeigt rund 100 Werke und verfolgt chronologisch die Zeit von Dalís Entdeckung der Schriften Freuds bis zum persönlichen Kennenlernen der beiden. Kurator Jaime Brihuega: „Für Dalí war die Lektüre Freuds eine faszinierende Offenbarung. Durch Freuds Theorien erlangte er Verständnis der Fantasien, Ängste, Wünsche und Frustrationen seiner Innenwelt. Das ermutigte ihn auch, diese in Bilder zu verwandeln, die Teil unseres kunsthistorischen Allgemeinguts geworden sind.“
Die Schau beginnt mit Dalís Familienuniversum und seiner Auseinandersetzung mit den komplexen Verwandtschaftsverhältnissen in seiner Kunst, führt weiter ins Madrid der 1920er-Jahre, wo er erstmals auf die Schriften Freuds stieß. Die Lektüre der Traumdeutung wurde für den jungen Künstler zu einer der wichtigsten Erfahrungen seines Lebens. Noch in Madrid kam Dalí ab dem Jahr 1925 dann schließlich mit den Ideen des Surrealismus in Berührung. (hin)


„Dalí – Freud. Eine Obsession”, bis 29. Mai 2022, Unteres Belvedere, Orangerie, Wien