Bringt sie Ruhe in die Pflegekammer?

Der neue Vorstand: untere Reihe: v. links nach rechts: Nora Wehrstedt, Nadya Klarmann, Sascha Sandhorst, obere Reihe v. links nach rechts: Ulrike Mewing, Kerstin Stammel, Felix Berkemeyer, Benjamin Schiller). Foto: Pflegekammer Niedersachsen 

Seit ihrer Gründung steht die Pflegekammer Niedersachsen in der Kritik. Nun gibt es einen Wechsel an der Spitze der Einrichtung, die sich als Lobby für Pflegekräfte versteht. Die neue Führung verspricht unter anderem mehr Transparenz. 

Die umstrittene Pflegekammer Niedersachsen hat eine neue Präsidentin. Zur Nachfolgerin von Sandra Mehmecke wurde am Sonnabend in Hannover im Verlauf einer nichtöffentlichen Kammerversammlung die Altenpflegerin Nadya Klarmann gewählt. Sie habe 15 von 24 gültigen Stimmen erhalten, teilte die Kammer mit. „Ich werde dafür eintreten, die Pflegekammer gemeinsam mit den Mitgliedern zu einer starken Interessenvertretung weiterzuentwickeln”, sagte Klarmann. Sie wolle einen Neustart: „Die Kammer muss sich näher an den Mitgliedern bewegen.”

Kurz zuvor war Mehmecke in der außerordentlichen Kammerversammlung aufgrund langanhaltender Proteste gegen die Kammer und eines Misstrauensvotums gegen sie persönlich zurückgetreten. In einer Bilanz hatte die scheidende Präsidentin die Angriffe auch aus Pflegeberufen gegen die Kammer kritisiert. „Mit destruktiven, spaltenden Aktivitäten auch aus unserer eigenen Berufsgruppe habe ich nicht in diesem Ausmaß gerechnet”, erklärte sie und fügte hinzu: „Einflussnahmen auf unsere Heilberufskammern von außen sind völlig unangemessen.”

Mehmecke wurde im August 2018 zur Gründungspräsidentin der Pflegekammer gewählt. Sie hatte im Februar eine von ihr selbst initiierte Vertrauensfrage knapp verloren. Nun wurde nicht nur das Amt der Präsidentin neu besetzt, sondern auch der Vorstand insgesamt. „Wir werden den Dialog mit unseren Mitgliedern fördern, Transparenz herstellen und der Kammer ein menschliches Gesicht geben”, kündigte Klarmann an. Sie führt in Hannover einen ambulanten Pflegedienst und ist Fachkraft für Gerontopsychiatrie.

Seit der Gründung war es immer wieder zu Protesten gegen die Kammer gekommen. Der Widerstand richtete sich gegen die mit der Einrichtung verbundene Zwangsmitgliedschaft sowie gegen Beiträge und fehlerhafte Beitragsbescheide. Eine Online-Petition gegen die Kammer erreichte weit mehr als 50.000 Unterschriften. Kritik kam überdies vom Verband der privaten Pflegeanbieter und aus der Landespolitik. FDP und AfD im Landtag fordern gar eine Zerschlagung der Kammer.

Im vergangenen November hatten die Landtagsfraktionen von SPD und CDU den Zwangsbeitrag abgeschafft und die Kammer mit einer Anschubfinanzierung von sechs Millionen Euro ausgestattet. Allerdings behielt sich die Kammer vor, jährlich neu über eine Beitragspflicht zu entscheiden.

In ihrer Erklärung betonte Mehmecke die Bedeutung von Pflichtmitgliedschaft und Pflichtbeitrag: „Das ist rechtlich notwendig für die unabhängige Selbstverwaltung unseres Berufes.” Trotz der Konflikte sei in ihrer Amtszeit viel Positives geschaffen und auf den Weg gebracht worden. Mehmecke zählte dazu unter anderem ein Pflegeberuferegister, einen Bericht zur Lage der Pflegeberufe sowie die Einrichtung einer Ethikkommission für Pflegende. Zu ihrem Rücktritt sagte sie: „Ich hoffe, dass sich alle Seiten jetzt endlich auf die Sache konzentrieren.”

Das niedersächsische Sozialministerium will in den nächsten Tagen eine Online-Evaluation zur Pflegekammer starten. Dabei soll auch die Frage gestellt werden, ob die Mitglieder grundsätzlich für den Fortbestand einer beitragsfreien Pflegekammer sind. Die Ergebnisse sollen Ende April vorliegen. Wegen der aktuellen Konflikte um die Kammer hat das Ministerium die Befragung um ein halbes Jahr vorgezogen.

Die Pflegekammer setzt sich dafür ein, die Situation der Pflegefachberufe zu verbessern, den Pflegeberuf weiterzuentwickeln und die professionelle Pflege der Bevölkerung sicherzustellen. Ihr gehören eigenen Angaben zufolge obligatorisch mehr als 90.000 Pflegefachkräfte mit Abschlüssen in der Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Kinderkrankenpflege an.

Die Pflegekammer Niedersachsen ist nach Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein die dritte und bisher größte Landespflegekammer Deutschlands. Sie ist etablierten Heilberufekammern wie der Ärztekammer oder der Apothekerkammer gleichgestellt. Rechtlich ist die Pflegekammer eine Körperschaft des öffentlichen Rechts unter der Aufsicht des niedersächsischen Gesundheitsministeriums. (epd)