Bethel: Medikamententests
an Minderjährigen

Bis zum Beginn der 1970er-Jahre wurden laut einer Studie auch in den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in Deutschland noch nicht zugelassene Medikamente an Minderjährigen erprobt. Bei den länger als sechs Monate in Bethel stationär behandelten Kindern und Jugendlichen seien in knapp einem Viertel der Fälle sogenannte Prüfpräparate und Import-Medikamente zum Einsatz gekommen, teilte das diakonische Unternehmen bei der Veröffentlichung der Untersuchung in Bielefeld mit. Eine mögliche Schädigung von Bewohnern durch die Medikamentenprüfungen konnte demnach auf Grundlage der Krankenakten nicht festgestellt werden. 

Bei dem von Bethel selbst gestarteten Forschungsprojekt seien in den Krankenakten keine schriftlichen Genehmigungen der Eltern oder eines Vormunds gefunden worden, hieß es. Nur in Einzelfällen gab es laut der Mitteilung Hinweise auf eine indirekte oder mündliche Zustimmung durch Erziehungsberechtigte. Die Einwilligung in und die Aufklärung über Arzneimittelerprobungen seien auch damals schon “rechtlich und ethisch geboten”, jedoch “kein Standard der klinischen Praxis” gewesen, erklärte der an der Studie beteiligte Historiker Niklas Lenhard-Schramm. Die v. Bodelschwinghschen Stiftungen bedauerten die Vorgänge. 

Der Studie liegt den Angaben zufolge eine Zufallsstichprobe von 265 jungen Patienten zugrunde – bei 63 von ihnen (23,8 Prozent) seien Prüfpräparate verordnet worden. In etwa zwei Drittel der Fälle handelte es sich demnach um Antiepileptika, bei einem Drittel um Psychopharmaka. Insgesamt waren laut der Mitteilung zwischen 1949 und 1975 rund 2.740 Minderjährige mindestens sechs Monate zur stationären Behandlung im Langzeitbereich von Bethel aufgenommen. 

Das Forschungsprojekt zu möglichen Arzneimittelprüfungen an Minderjährigen in Bethel hatte Ende 2017 begonnen. An der Studie waren Historiker und Kinderneurologen beteiligt. Den Anstoß für das Projekt hatte die Studie einer Pharmakologin gegeben, die auf Daten von Medikamententests durch die Pharmaindustrie an Kindern und Jugendlichen in Wohlfahrtseinrichtungen gestoßen war. (epd)