“Beschütztes
Wohnen” in der City

Am Kickertisch: Frauke Hennings, Geschäftsführerin (v.li.), Teamleiter Frank Werner, Bereichsleiter Hubert Kroma und Sandra Becker, Vorstand Der Hafen e.V.. Foto: Hinrichs

„Das ist ein revolutionärer Tag“, strahlte Dr. Hans-Peter Unger bei seiner Ankunft. Der ehemalige Chefarzt der Harburger Psychiatrie hatte die ”Wohngemeinschaft Marktpassage” mit geschlossenen bzw. geschützten Wohnplätzen des Trägers Der Hafen  e.V. in der Neugrabener Marktpassage mit initiiert und wesentlich angeschoben, die nach vielen Bauverzögerungen kurz vor Weihnachten eröffnet wurde.  Im Januar sollen die ersten Bewohner einziehen. Es handelt sich bei dem hochstrukturierten Übergangswohnen um ein Pilotprojekt, betonte Hubert Kroma, Bereichsleiter. Dass man hier mit Klienten als Teil der Gesellschaft mitten in der Urbanität, in der Fußgängerzone, eine geschlossene Einrichtung eröffne, gebe es so sonst nicht.  Und das Konzept einer kleinen, wohnortnahen Einrichtung dieser Art entspreche den Maßgaben des Hamburger Psychiatrieberichts. 

Die Räume eines ehemaligen Hotels waren in schlechtem Zustand und standen lange leer, bevor die Vertreter des Hafens das Potential erkannten. Dadurch, dass alles entkernt wurde, hatten sie Zugriff auf die Raumplanung. Es wurde viel in die ca. 1400 Quadratmeter investiert. Allein der Hafen als Mieter habe ca. eine Million aufgewendet, so Geschäftsführerin Frauke Hennings. Herausgekommen sind Räumlichkeiten, die als Ausgleich für den fehlenden Garten besonders großzügig ausgefallen sind. Mit 15- 18 Quadratmeter großen Einzelzimmern, die per Transponder (einem Chip) vom Bewohner selbst abgeschlossen werden können (über den Transponder kann je nach Beschlusslage ebenfalls der Zugang zur Eingangstür möglich gemacht oder gesperrt werden), einem großen Eingangsbereich mit spendenfinanziertem Hafenbanner, der zu einer Art Marktplatz ausgebaut werden soll. Mit  Bibliothek, die auch als Ruhe- und Yogaraum dient sowie einem Tischtennis-/Sportraum. In allen Bereichen wurde auf ein auf Beruhigung ausgelegtes  Farb- und Lichtkonzept gesetzt. 

Circa 650 Menschen mangels Plätzen außerhalb Hamburgs untergebracht

Platz ist für 12 Bewohnerinnen und Bewohner ab 21 Jahren aus dem Hamburger Süden mit Unterbringungsbeschluss. Sie sollen möglichst aus der Nähe  kommen  – Ziel des sozialräumlichen Konzepts ist eine sukzessive Eingliederung in die Gesellschaft vor Ort. Das heiße nicht, „dass das wir auch mal jemanden von woanders aufnehmen müssen“, so Frauke Hennigs, die auf 650 Menschen verweist, die mangels Plätzen in der Hansestadt außerhalb Hamburgs untergebracht sind. Es werde mehrere geben, die zurückwollen, glaubt Teamleiter Frank Werner. So wie jetzt eine Klientin, die aus Wahrendorff an die Elbe zurückkehren wird. 

Die neuen Klienten würden in der Regel direkt aus der Klinik kommen und dort schon vor Einzug von einem Betreuer der Einrichtung besucht. „Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein, was wir hier vorhalten, macht Bereichsleiter Hubert Kroma deutlich.  Aktuell bedürfe es jetzt neben – teils schon umgesetzten oder geplanten – weiteren beschützten Einrichtungen in jedem Bezirk weitere Nachfolgereinrichtungen – Wohnplätze in WG’s oder betreutem Wohnen. Der Aufenthalt in der geschützten  Einrichtung ist auf 1-3 Jahre begrenzt. 

Ziel: Vorbereitung auf Selbstständigkeit

Entsprechend ist auch das Konzept der Wohngemeinschaft Marktpassage auf Rückkehr in ein „normales Leben“  ausgelegt. Ziel der Aktivierungsgruppen im oberen Stock, mit denen für Tagesstruktur gesorgt wird, ist die Vorbereitung auf das selbstständige Leben der psychisch kranken Menschen, die fast alle „stark hospitalisiert“ seien und „lange Krankenhauskarrieren“ hinter sich hätten, wie Frauke Hennings erklärte.  Weil es zu wenig Plätze gebe, müsse diese Klientel bisher oft länger in der Klinik bleiben als nötig wäre. In der Wohngemeinschaft Marktpassage wird täglich zusammen eingekauft, gekocht und gegessen. Weitere Aktivitäten: putzen, waschen, reparieren, handwerken .. An den Küchenbereich schließt sich ein größerer Balkon an, der im Frühjahr bepflanzt werden und für „urban gardening“ und Hochbeete genutzt werden soll. 

Aufgenommen werden Menschen, die etwa an Schizophrenie, an Depressionen oder Persönlichkeitsstörungen leiden und krankheitsbedingt ein Risiko für Selbstgefährdung mit sich tragen, nicht aber Menschen mit „primär fremdgefährdendem Verhalten“ oder geistiger Behinderung.  Auch Menschen aus dem Maßregelvollzug finden hier keinen Platz.

Zwang oder Krisenräume gebe es nicht, so Hubert Kroma.  Aber Deeskalations-Kenntnisse und eine gute Zusammenarbeit mit der Asklepios-Klink, die gleich nebenan, im Nachbarhaus, eine Tagesklinik nebst Ambulanz betreibt. Bei schweren Krisen geht es ins Krankenhaus. 

Mindestens einmal am Tag soll es auf Wunsch begleitete Ausgänge geben. Es werde nie weniger als zwei Mitarbeiter vor Ort geben, tagsüber 3-6. Die Stellen – insgesamt 24 MitarbeiterInnen arbeiten hier  –  seien innerhalb von vier Monaten besetzt worden, berichtet Frauke Hennings. Auch sonst erfuhr das Projekt offenbar viel Rückenwind und lokale Unterstützung. Dabei half auch die von Aktion Mensch unterstützte Nachbarschaftsarbeit von Frank Werner, der mit den Anwohnern sprach, sowie die Unterstützung des Ortsausschusses sowie eines Mitmieters, der Anwalt ist.   (hin)