Die in einer Patientenverfügung untersagte Zwangsbehandlung mit Medikamenten muss auch bei psychisch kranken Straftätern im Maßregelvollzug beachtet werden. Die zwangsweise Gabe von Medikamenten kann sonst das Recht des Patienten auf körperliche Unversehrtheit und dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzen, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem heute veröffentlichten Beschluss. (AZ: 2 BvR 1866/17 und 2 BvR 1314/18) Eine Zwangsmaßnahme sei unzulässig, wenn eine wirksame Patientenverfügung dies verbiete und die Behandlung allein dem Schutz des Betroffenen diene. Patienten hätten ein Recht auf „Freiheit zur Krankheit“.
Konkret ging es um einen ab Oktober 2015 im Maßregelvollzug untergebrachten, an einer Schizophrenie erkrankten Straftäter aus Bayern. Der Mann hatte während einer wahnhaften Störung mit einem Besteckmesser auf den Brustkorb eines Nachbarn eingestochen. Seine 2005 verfasste Patientenverfügung hatte er 2015 mit einem weiteren Schriftstück ergänzt, in dem er jedem Arzt, Pfleger und anderen Personen untersagte, ihm „gegen seinen Willen“ Psychopharmaka zu verabreichen. Das Bezirkskrankenhaus, in dem der Mann im Maßregelvollzug untergebracht war, beantragte wegen drohender Hirnschäden dennoch die Zwangsbehandlung mit Neuroleptika. Die zuständigen Fachgerichte genehmigten den Antrag.
Andere Lage, wenn andere Menschen vor dem Patienten geschützt werden müssen
Die dagegen eingelegten Verfassungsbeschwerden hatten nun überwiegend Erfolg. Die Fachgerichte hätten das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht unzureichend beachtet, entschied das Bundesverfassungsgericht. Verbieten sie in einer wirksamen Patientenverfügung medizinische Maßnahmen, müsse dies grundsätzlich beachtet werden.
Voraussetzung für die Wirksamkeit der Patientenverfügung sei, dass diese unter freien Willen verfasst wurde. Verbiete die Verfügung eine Zwangsbehandlung, die allein dem Schutz des Patienten dienen soll, müssten Ärzte und Pflegekräfte sich daran halten. Anderes könne gelten, wenn die Zwangsmaßnahme zum Schutz anderer Menschen erforderlich sei, etwa um tätliche Angriffe des Patienten zu verhindern. Es müsse aber immer geprüft werden, ob die Zwangsbehandlung verhältnismäßig sei, entschieden die Verfassungsrichter.
Im konkreten Fall müssen die Fachgerichte noch einmal prüfen, ob die Patientenverfügung wirksam verfasst wurde und ob die Zwangsmedikation auch dem Schutz Dritter dient. (epd)