Alle Angebote an einem Ort aus einer Hand – für psychisch erkrankte Menschen hat das städtische Sozialunternehmen Fördern & Wohnen (F&W) in Wandsbek-Farmsen ein neues Haus eröffnet. Der Neubau beherbergt insgesamt 61 Wohneinheiten für Menschen mit psychischer Erkrankung sowie verschiedene Assistenz-Angebote. Auch für einige Menschen, die per Richterbeschluss besonders geschützt werden müssen, ist hier Platz.
In einem Gebäudeteil stehen 21 Apartments für Erkrankte zur Verfügung, die weitgehend selbständig zurechtkommen und Assistenz in der Sozialpsychiatrie nutzen. Davon sind zehn Wohnungen für ältere Menschen vorgesehen, denen F&W bei Bedarf ambulante Pflege vermittelt. Im anderen Gebäudeteil bietet F&W die sogenannte besondere Wohnform für Erkrankte an, die intensive Begleitung brauchen: 33 Wohngruppenplätze mit je elf Plätzen in drei Gruppen und außerdem eine spezialisierte Wohngruppe mit sieben Plätzen für Menschen, die per richterlichem Beschluss davor geschützt werden, sich selbst zu gefährden.
Sieben Plätze für Menschen mit Gerichtsbeschluss: „Untere neue Expertise hier am Ort”
Seit 1960 ist Fördern & Wohnen auf dem Farmsener Gelände mit Angeboten der Eingliederungshilfe präsent. Vom Treffpunkt über individuelle Arbeitsbegleitung und ambulante Assistenz bis zu verschiedenen Wohnangeboten steht inzwischen das gesamte Spektrum der Sozialpsychiatrie zur Verfügung. „Dabei geht es uns vor allem darum, Teilhabe zu schaffen und Erkrankte mit ihrem Stadtteil zu vernetzen“, sagt Dr. Arne Nilsson, Sprecher der Geschäftsführung von Fördern & Wohnen. Von hoch strukturierter Unterstützung zu weitgehender Selbstständigkeit – das sei die Entwicklung, die jede Eingliederungshilfe anstrebt, so Nilsson: „Wir begleiten die Menschen Schritt für Schritt.“
Mit dem Neubau komme nun ein Baustein hinzu, der auch diejenigen in den Blick nimmt, denen Teilhabe besonders schwerfällt. „Menschen Schutz zu geben, die sich aufgrund ihrer Erkrankung selbst gefährden, ist unsere neue Expertise hier am Ort. Wir haben für diese Aufgabe bereits engagierte Fachkräfte gewonnen und freuen uns über weitere Bewerbungen.“
Häuser nach zwei Nazopfern benannt
Benannt werden die beiden Häuser des Neubaus nach zwei Menschen, die während der Zeit des Nationalsozialismus in staatlichen Hamburger Fürsorgeeinrichtungen Unrecht erlitten haben: Elsa Steinhoff und Willy Griem. „Wir möchten diese Menschen, die gesellschaftlich marginalisiert wurden, in wertschätzender Erinnerung behalten“, so Arne Nilsson von F&W. Die Namen haben Klienten und Mitarbeitende in einem Workshop vorgeschlagen. „Auch so geht Teilhabe“, so die Leiterin der Unternehmenskommunikation von f & w, Susanne Schwendtke.
Elsa Steinhoff, geboren 1906, lebte ohne feste Bleibe mal hier, mal dort. 1937 ließ das Gesundheitsamt sie polizeilich suchen, weil sie nicht zu vorgeschriebenen Untersuchungen erschienen war. Sie hatte sich mit Geschlechtskrankheiten infiziert. 1938 wurde sie im Frauen-KZ Moringen in Niedersachsen inhaftiert und nach dessen Schließung 1939 im Frauen-KZ Ravensbrück in Brandenburg. Nach der Entlassung 1941 zog Elsa Steinhoff wieder nach Hamburg und arbeitete in einer Brauerei. Wann und wie sie starb, ist nicht bekannt.
Willy Griem, 1915 – 1976, wurde 1930 als 15-Jähriger aus seiner Familie herausgenommen und in ein Jugendheim eingewiesen. Dort musste er fünf Jahre lang bleiben. Ab 1935 leistete er Arbeitsdienst, 1937 kam er zum Militär. Wegen einer „Charakterveränderung“ wurde er 1938 in das Heil- und Pflegeheim in Hamburg-Langenhorn überwiesen und 1939 als angeblich „geistesschwach“ entmündigt. Wegen Unterschlagung wurde er wenig später im Gefängnis Harburg inhaftiert und von dort aus direkt in die Bewahranstalt Farmsen gebracht. Mehrmals floh er aus der Anstalt. Bis 1959 lebte er im Versorgungsheim Farmsen, dann wurde er in ein anderes Hamburger Heim verlegt. Er starb mit 61 Jahren. (rd/PM)