Wer akute psychische Probleme hat und einen Psychotherapieplatz in einer Praxis sucht, die mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnet, muss sich oft auf sehr lange Wartezeiten einrichten. Theoretisch sieht das Sozialgesetzbuch vor, dass alternativ zur Not auch eine Therapie in einer Privatpraxis erstattet werden kann. Eine Voraussetzung: das Sammeln von Absagen bei einer bestimmten Zahl von „Kassentherapeuten“. Doch: „Die mittlere Ablehnungsrate ist sowohl beim Erstantrag als auch nach einem ersten Widerspruch gestiegen“, kritisierte Gebhard Hentschel, Bundesvorsitzender der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV).
Die DPtV hatte wiederholt eine Ausweitung der Kostenerstattung gefordert, um Patient*innen angesichts des gestiegenen Behandlungsbedarfs in der COVID-19-Pandemie effektiv zu helfen. Wie eine Umfrage des Verbands unter 503 in Privatpraxen niedergelassenen Psychotherapeutinnen und – therapeuten ergab, hätten die Krankenkassen 2021 im Schnitt 48 Prozent der Erstanträge abgelehnt. Begründet worden seien die Ablehnungen oft mit dem Verweis auf die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), auf „genügend Vertragspsychotherapeut*innen“ oder auf „die unwahre Aussage“, die Kostenerstattung sei „nicht mehr erlaubt“. In 26 Prozent der Fälle verwiesen die Kassen auf Behandlungsalternativen – etwa die Psychiatrie oder Digitale Gesundheitsanwendungen. Im Durchschnitt legten der DPtV zufolge 2021 etwas mehr Patientinnen und Patienten (44,8 Prozent) Widerspruch gegen ihre Ablehnung ein als noch 2019 (41,5 Prozent). Zugenommen habe jedoch auch die Ablehnungsquote des Widerspruchs (2021: 29,8 Prozent, 2019: 26,6 Prozent).
Die Bearbeitungszeit der Anträge sei mit durchschnittlich 5,9 Wochen ebenfalls leicht angestiegen. Bei elf Prozent der Fälle dauert es sogar mehr als elf Wochen. „Wenn sich Menschen an Psychotherapeutinnen wenden, haben sie bereits einen großen seelischen Leidensdruck“, so Gebhard Hentschel. „Vor einem Antrag auf Kostenerstattung haben sie meist eine monatelange erfolglose Suche hinter sich. Wir appellieren an die Krankenkassen, diesen Patient*innen keine zusätzlichen bürokratischen Hürden in den Weg zu stellen, sondern die gesetzlich vorgesehene Kostenerstattung zu bewilligen.“