Aus Platzmangel in der Forensik müssen in Niedersachsen immer mehr verurteilte Straftäter in Freiheit auf einen (Therapie-) Platz im Maßregelvollzug warten – und begehen dabei offenbar auch neue Straftaten. Nach Angaben von Justizministerin Barbara Havliza (CDU) im Landtag wurden gegen 58 von 101 Tätern, die sich aufgrund fehlender Plätze noch in Freiheit befanden, wegen weiterer Straftaten, die sie während ihrer Wartezeit begangen haben sollen, Ermittlungsverfahren eingeleitet bzw. sind bereits Verurteilungen erfolgt. Die durchschnittliche Wartezeit bis zum möglichen Antritt betrage aktuell 231 Tage, antwortete die Landesregierung im September auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion. Sozialministerin Carola Reimann (SPD) kündigte an, dass das Land die bislang 1231 Plätze im Maßregelvollzug um 32 aufstocken will. Sie hatte die Platzprobleme Ende vorigen Jahres vor allem damit begründet, dass die Gerichte bei Urteilen gegen suchtkranke Straftäter zunehmend deren Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern anordnen würden. Das Land habe deshalb Therapieplätze für psychisch Kranke in Plätze für Suchtkranke umwandeln müsse, was sich jetzt auswirke.
Nicht nur niedersächsische Abteilungen für psychisch kranke Straftäter leiden unter akuter Platznot. Wie aus einer Antwort auf die Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Richard Seelmaecker hervorgeht, ist auch der Maßregelvollzug der Asklepios Klinik Nord/Ochsenzoll stark überbelegt. Zum Stichtag 17. Juni dieses Jahres waren demnach 355 schuldunfähige Straftäter und Tatverdächtige als Patienten im Maßregelvollzug untergebracht, obwohl nur 309 Plätze zur Verfügung stehen. Patienten müssen demnach zeitweise in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern oder, in Einzelfällen, in den geschlossenen Abteilungen anderer Hamburger Krankenhäuser oder gar in der Untersuchungshaftanstalt (UHA) untergebracht werden. Mehr zum Thema lesen Sie in der nächsten Printausgabe, die am 9. November in den Druck geht. (rd)