Der Dokumentarfilm „Elternschule“ begleitet mehrere Familien durch die mehrwöchige, stationäre Therapie einer psychosomatischen Klinik. Hier wird nach einem von dem Psychologen Dietmar Lange entwickelten Programm nicht nur die Krankheit des Kindes, sondern das gesamte Beziehungsgeflecht der Familie unter die Lupe genommen, heißt es in der Ankündigung. Der Film polarisiert und ist bei Experten und in sozialen Medien auf heftige Kritik gestoßen. Er kam am 11. Oktober offiziell in die Kinos und wird von einer umfangreichen Kinotour begleitet, bei der der Protagonist Dietmar Langer in „Filmegesprächen“ Rede und Antwort steht.
Kinder im chronischen Stress: Laura schreit 14 Stunden am Tag. Anna kämpft mit ihrer Mutter um alles. Lucy hat noch keine Nacht durchgeschlafen. Joshua wird schnell wütend und beruhigt sich nicht mehr. Mohammed Ali kratzt sich blutig, schläft kaum und jammert den ganzen Tag. Felix trinkt nur Milch, die er gleich wieder erbricht. Zahra isst überhaupt nichts mehr, außer Pommes und Chicken Nuggets.
Sie alle kommen mit ihren erschöpften Eltern in die Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen, Abteilung „Pädiatrische Psychosomatik“. Hier werden chronische Krankheiten behandelt: Neurodermitis, Asthma, Allergien, Schlaf- und Essstörungen, Verhaltensauffälligkeiten. Mindestens drei Wochen lang bleiben Eltern und Kinder in der Klinik und durchlaufen ein umfassendes Programm: Schlaftraining, Esstraining, Verhaltenstraining, Psychotherapie und Erziehungscoaching.
„Normalerweise ist es schwer zu beobachten, was Erziehung ausmacht; sie findet über viele Jahre hinweg hinter zumeist verschlossenen Türen statt. In der Klinik aber erleben wir all das verdichtet auf wenige Wochen. Das Erziehungswissen und -handeln der Eltern kommt ans Tageslicht, ebenso wie die Strategien ihrer Kinder – und die Therapie der Schwierigkeiten“, so die Regisseure Jörg Adolph und Ralf Bücheler. Ihr Film wurde von der „if… Productions“ in Kooperation mit dem Südwestrundfunk produziert.
Der Psychologe Dietmar Langer hat die „Elternschule” zusammen mit einem Team aus Ärzten, Therapeuten und Pflegekräften entwickelt. Seit 30 Jahren erforscht er die Zusammenhänge zwischen Stress, Erziehung und chronischer Krankheit, informiert das Presseheft zum Film: „Zweimal die Woche steht Dietmar Langer an einer alten Schultafel vor Eltern und erzählt: Wie ,ticken’ Kinder? Was brauchen sie von uns Erwachsenen – und was nicht? Welche Entwicklungsschritte durchlaufen sie? Und was können wir als Eltern tun, damit aus ihnen starke, gesunde und zufriedene Erwachsene werden?”
Ein wichtiger Film, urteilte Martina Knoben auf www.sueddeutsche.de: „Für jeden, der selbst Kinder hat, ist der Film ein Muss. Über Erziehungstipps hinaus bietet er aber auch ein Einblick in eine verunsicherte Gesellschaft, die sich mit Autorität schwertut und ihren Instinkten kaum noch traut.“ Im Kern geht es insbesondere darum, Grenzen zu setzen und Konsequenz zu üben. Da werden zum Beispiel Kinder, die nicht schlafen wollen, allein gelassen, was hart wirkt. Doch das Konzept ist offenbar sehr erfolgreich. In einem WDR-Fernsehbeitrag (https://www1.wdr.de/nachrichten/elternschule-kritik-100.html) ist von einer Erfolgsrate von 87 Prozent die Rede, die Studien ergäben hätten.
Unter Kritikern ist indes von „Szenen emotionaler Gewalt” die Rede, die an schwarze Pädagogik erinnern würden. Der Kinderarzt, Wissenschafter und Autor Dr. Herbert Renz-Polster spricht von „menschenverachtenden Methoden der Kinderklinik Gelsenkirchen”: „Was mich an diesem Film vor allem wundert, ist die Schamlosigkeit, mit der erzieherische Gewalt dargestellt, glorifiziert und auch medikalisiert wird. Man darf Kinder zum Essen zwingen, nur weil man einen Kittel anhat? … Und man darf das in einem Kinofilm als die richtige Erziehung von Kindern darstellen? Heute, wo wir Kindern ein Recht auf gewaltfreie Erziehung zusprechen? … Vielleicht noch grausamer ist das mit anzusehen: wie nüchtern, hart und hämisch über die schwer verunsicherten, teilweise auch traumatisierten Kinder geurteilt wird”, so Renz-Polster in einem Kommentar. Gäbe es doch allen Grund zu fragen, warum ein Kleinkind das Essen verweigert und beim Gefüttert-Werden einen solchen Stress erlebe, dass es nicht mehr essen könne. „Beziehungsnot? Schlechte Erfahrungen rund um das an sich so lustvolle Thema Essen? All das ist nicht das Thema dieser Szenen. Thema ist: es gibt keinen Grund, sich vor Nudeln zu fürchten”, erläutert er seine Kritik. (s. https://www.kinder-verstehen.de/aktuelles/elternschule-so-geht-erziehung/ ) Auch in sozialen Netzwerken ging es richtig rund. Wegen wütender Beschimpfungen wurde die Facebookseite inzwischen geschlossen. In einer Petition, die bereits mehr als 10.000 Anhänger fand, wird ein „Ausstrahlungsende des Films Elternschule” gefordert.
Zu Dietmar Langer: Er ist seit 1996 leitender Therapeut der Abteilung für pädiatrische Psychosomatik an der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen. Der diplomierte Psychologe und Psychotherapeut ist approbierter Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut und Psychologischer Psychotherapeut, Hypnosetherapeut und Supervisor für Verhaltenstherapie. Er spezialisierte sich auf die psychosomatische Behandlung von Neurodermitis, Asthma, Regulations- und Bindungsstörungen sowie Ess- und Schlafverhaltensstörungen bei Säuglingen und Kindern und entwickelte standardisierte Programme für die stationäre Therapie, u.a. Bindungs- und Trennungstraining (BTT), Schlafverhaltenstraining (SVT) und Essverhal- tenstraining (EVT). Seit 2001 leitet er das Präventiv-Projekt „Der Elternführerschein“ – ein Seminarprogramm für Eltern. Mehr unter: liebevoll-konsequent-erziehen.de, elternfuehrerschein.com
Sondervorstellungs-Termine im Norden mit anschließendem Filmgespräch mit Dipl.-Psychologe Dietmar Langer:
Hannover, Kino am Raschplatz, 20. Oktober, 11 Uhr.
Bremen, Cinema Ostertor, 21. Oktober, 15 Uhr.
Oldenburg, Casablanca, 22. Oktober, 19 Uhr.
Osnabrück,Cinema-Arthouse,23. Oktober, 18.30 Uhr.
Lübeck, Kommunales Kino, 24. Oktober, 18 Uhr.
Rostock,Lichtspieltheater Wundervoll (Metropol), 26. Oktober, 19 Uhr.