Yoga für alle – Verein
macht’s möglich

Ausdruck tiefen Respekts sind Hände in „Namasté“, was übersetzt so viel heißt wie:„Ich verbeuge mich vor dir.“ Foto: pixabay

Ein Hamburger Verein ermöglicht deutschlandweit spendenfinanzierte Kooperationen für Yoga bei Trauer, bei psychischen Erkrankungen, für Geflüchtete, im Strafvollzug, bei Essstörungen und im Frauenhaus.

„Wir sammeln Geld und bringen Yoga dorthin, wo es dringend gebraucht wird und von allein nicht hinkommt.“ So fasst Gründerin und Vorstandsmitglied Cornelia Brammen im Gespräch mit dem EPPENDORFER das Konzept des Hamburger Vereins Yoga für alle e.V. zusammen. Yoga sei zwar ein beinahe allgegenwärtiger Trend, doch auf der anderen Seite auch ein für zahlreiche Menschen unerreichbarer Luxus – sei es aus finanziellen oder psychischen Gründen oder schlicht aufgrund des Umstands, in einem Kinderheim oder Frauenhaus leben zu müssen. Einrichtungen, die soziales Yoga anbieten möchten, können sich beim Verein melden. So seien seit der Gründung im Jahr 2014 bereits zahlreiche spendenfinanzierte Yogakooperationen entstanden – etwa für Menschen mit Essstörungen oder Depressionen, für Trauernde, traumatisierte Flüchtlinge, für Häftlinge oder auch Angehörige von Sterbenden. 

Netz reicht von Sylt bis Zürich

Mittlerweile reicht das Netz der Projekte von Sylt bis Zürich. „Die Träger haben die jeweilige Expertise in ihrem Fachgebiet – und wir können Yoga“, so Brammen. Obwohl alle Yogalehrerinnen des Vereins eine neunstündige Zusatzausbildung zum Thema Yoga und Trauma absolviert hätten, seien die Yogakurse niemals therapeutisch, sondern nur begleitend. „Das ist für die Teilnehmer wichtig und sehr entlastend, da sie sonst oft unter Beobachtung stehen.“ 

Yoga für alle finanziere seine Angebote von Beginn an unter anderem aus dem Fundraising-Event „LANGENACHTDESYOOOGA“, aktuell mit der Spendenkampagne #yogahilft. Im Jahr 2017 konnte der Verein laut Brammen bereits 300 Yogastunden mit bis zu zwölf Teilnehmern bezahlen. Im Vorjahr waren es erst 80 gewesen. Bis zum Abschluss der fünften Yoganacht, die am 23. Juni 2018 in mittlerweile neun Städten gleichzeitig stattfinden sollte, wollte der Verein das Geld für tausend Yogastunden zusammenbekommen haben– bei einem Honorar von 30 Euro pro Stunde sind das 30.000 Euro. Wer an den kostenlosen Kursen teilnehmen darf, bestimmen die jeweiligen Träger, mit denen der Verein kooperiert.

„Yoga kann Halt geben“

„Ich hatte das Bedürfnis, etwas weiterzugeben“, erläutert Brammen, im Hauptberuf Redakteurin und selbst auch Yogalehrerin, die Entscheidung, den Verein zu gründen. Yoga habe ihr selbst in einer schwierigen Lebensphase sehr geholfen. „Yoga kann Halt geben“, ergänzt Psychologin Mirja Görlach, ebenfalls Yogalehrerin und Mitglied bei Yoga für alle. Die Kurse förderten die Selbstwirksamkeit und könnten dazu beitragen, Selbstbewusstsein aufzubauen und Ausgleich, Ruhe und Zufriedenheit zu finden. Yoga sei eine Entscheidung für Entschleunigung, die man sich in unserer schnelllebigen und auf Perfektionismus ausgelegten Welt auch trauen müsse. „Viele haben Angst, von anderen gesehen und bewertet zu werden“, so Görlach, „doch dann merken sie, dass dies beim Yoga nicht passiert.“ Vielmehr biete Yoga die Chance, zu seinem inneren Selbst zu finden. 

Für Menschen mit Essstörungen etwa, die typischerweise unter einem verzerrten Körperbild litten, sei der Umgang mit dem eigenen Körper eher schwierig. „Über Yoga können sie ihren Körper jedoch noch einmal ganz anders kennenlernen und die Erfahrung machen, dass es nicht nur um Äußeres geht.“ 

„Psychosensibles Yoga“

Nach dem Kursus „Psychosensibles Yoga“ habe ein Teilnehmer berichtet, in ihm sei es nach dem Yoga heller. Bei Depressionen könne Yoga dazu beitragen, Selbstbewusstsein aufzubauen und eine sinnvolle Ergänzung zur Einnahme von Antidepressiva sein, so Görlach. „Der große Vorteil von Yoga gegenüber Psychopharmaka ist, dass es keine Nebenwirkungen hat.“ Es brauche aktuelle, qualitativ hochwertige Studien über die Auswirkungen von Yoga auf unterschiedliche psychische Erkrankungen, um noch genauere Rückschlüsse zu ermöglichen. „Grundsätzlich scheint Yoga aber zum Wohlbefinden der Betroffenen beizutragen.“

Yoga könne laut Brammen alte Muster ersetzen und die Selbstmotivation steigern. „Die Energie springt an und es fließt.“ Bei einem Yogakursus im Strafvollzug habe sie weitere positive Effekte miterlebt: „Im Gefängnis ist es meistens laut“, erläutert sie, die Häftlinge suchten Ruhe. Der Kurs habe sich in der Kirche getroffen, wo es leise war. „Als ein plötzlicher Lärm die Stille störte, verkrampften sich die Teilnehmer, ich spürte ihre Aggression.“ Mit einer gezielten Yogaübung sei es jedoch gelungen, die Spannung im Nu wieder aufzulösen. Grundsätzlich sei Yoga eine gute Methode, um Krisen für Wachstum zu nutzen. Doch Yoga helfe nicht nur, sondern verbinde auch Menschen miteinander. Bislang bestehe der Verein Yoga für alle ausschließlich aus Frauen, „doch auch Männer sind herzlich eingeladen mitzumachen“, so Brammen. Weitere Informationen zum Verein, zu Projekten und Spendenmöglichkeiten finden Sie unter: www.yogahilft.com.               

                                                                                    Gesa Lampe

 

Stichwort: Was ist eigentlich Yoga?

Yoga ist eine alte indische philosophische Lehre und eine der sechs klassischen Schulen (Darshanas) der indischen Philosophie. Sie umfasst eine Reihe geistiger und körperlicher Übungen bzw. Praktiken wie Yama, Niyama, Asanas, Pranayama, Pratyahara, Kriyas, Meditation und Askese.  Der westliche Sprachgebrauch fasst eher körperbetonte Yoga-Praktiken unter dem Oberbegriff Hatha Yoga zusammen. Kundalini-Yoga ist ruhiger und setzt den Schwerpunkt auf die Erweckung und Lenkung der sogenannten Kundalini-Energie.  Zusätzlich zu den traditionellen Richtungen werden besonders im Zuge des Fitness- und Wellness-Trends immer wieder „neue“ Yoga-Arten kreiert. Mittlerweile existiert eine fast unüberschaubare Anzahl unterschiedlicher und auch neuerer Yoga-Schulen so wie zum Beispiel Poweryoga oder Bikram Yoga, eine körperlich fordernde Yogaform, die bei hohen Raumtemperaturen ausgeübt wird.  Einen Auftrieb erhielt in jüngerer Zeit Yogaunterricht mit traumatisierten Menschen, so genanntes traumasensitives Yoga. Hierbei werden Übende insbesondere ermutigt, die eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen. So entsteht Raum für Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmung – als Gegensatz zur traumatisierenden Erfahrung (s.a. Dagmar Härle: Praxisbuch traumasensitives Yoga,  264 Seiten plus DVD, Jungfermann-Verlag 2016).   (rd)