Vor 75 Jahren, am 24. Juli 1943, starteten die ersten von 791 britischen Bombern mit Ziel Hamburg. Gut eine Woche später, am 3. August, lag die Stadt in Trümmern. Ziel der „Operation Gomorrha“ * war es, Hamburg – damals eine der größten Waffenschmieden des Deutschen Reiches – mit einem bewusst herbei geführten Feuersturm aus der Luft zu zerstören. Am Ende der bis dahin schwersten Angriffsserie waren über 30.000 Menschen tot, über 100.000 verletzt und fast eine Million Menschen obdachlos und auf der Flucht.
„Acht Stunden harrten wir im Keller aus, dann hieß es: Das Haus stürzt ein – wir mussten sofort raus. Wir konnten noch Tücher nassmachen und dadurch besser atmen. Die Straße draußen glich einem Flammenmeer; mit feuchten Tüchern vorm Gesicht liefen wir in den Hammer Park, wir kletterten über Trümmerteile und Leichen, deren Körper die Hitze auf die Größe von Kommissbroten geschrumpft hatte”, so ein Augenzeugenbericht von Wilfried Drust, Jahrgang 1932, damals in Hamm. Wiedergegeben im Hamburger Abendblatt, dass den Jahrestag zum Anlass für eine elfteilige Serie nahm. Im Internet sind dazu mehrer Augenzeugenberichte als Video zu sehen: https://www.abendblatt.de/hamburg/gomorrha-serie/
Wie es zum „Feuersturm” kam
Zur Bombardierung verwendete die Royal Air Force (RAF) eine Mischung von Luftminen, Spreng-, Phosphor- und Stabbrandbomben. Erste Löschversuche wurden durch weitere Bombardierungen vereitelt, was die großen Flächenbrände möglich machte. Diese Technik wurde von den Alliierten später als „Hamburgisierung“ bezeichnet und auch auf andere Städte angewandt. Der so genannte Feuersturm ereignete sich in der Nacht vom 27. auf den 28. Juli 1943. Es war an dem Tag bis zu 32 ° Celsius heiß gewesen, was den „atmosphärischen“ Feuersturm begünstigte. Diesen beschreibt Wikipedia so: Es bedeutete, dass die aufsteigenden sehr heißen Brandgase der beginnenden Brände die darüberliegenden kühleren Luftmassen bis zu etwa 7000 m Höhe durchstießen. Dadurch bildete sich über Hammerbrook und Rothenburgsort ein einziger atmosphärischer Kamin. „Auf diese Weise waren die Brände bereits in der Entstehungsphase unbeherrschbar geworden. Menschen wurden in die Feuer gerissen, brennende Balken und Gegenstände durch die Luft gewirbelt, Bäume bis zu ein Meter Dicke entwurzelt, Flammen und Funkenflug wie Schneegestöber auf der Straße. Die Geschwindigkeit des Feuersturms erreichte Orkanstärke bis zu geschätzt 75 Meter pro Sekunde. ” Der Feuersturm kam zwischen 5 und 6 Uhr morgens zum Erliegen. Über der Stadt lag eine sieben Kilometer hohe Rauchwolke, im Osten war die Sonne nicht mehr zu sehen.
Das Trauma und die Folgen
Die Ruinen sind lange beseitigt, aber die psychischen Folgewirkungen reichen bis in die heutige Zeit. Ausführlichst untersucht wurden sie in einem interdisziplinären Projekt „Zeitzeugen des Hamburger Feuersturms (1943) und ihre Familien“. Beschrieben hat sie insbesondere PD Dr. med. Ulrich Lamparter. In einem Ärzteblatt-Beitrag („Folgen des Zweiten Weltkriegs: Der ,Hamburger Feuersturm’ und die Trauma-Frage”) zieht er das Fazit: „Die traumatischen Folgen dokumentieren sich nicht nur in den Selbstschilderungen der Zeitzeugen oder in psychometrischen Instrumenten, sondern lassen sich oft erst im Eindruck des Untersuchers und seiner emotionalen Reaktion feststellen. Man wird davon ausgehen müssen, dass sich vergleichbare psychomentale Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs bei vielen Angehörigen der Geburtsjahrgänge 1925 bis 1945 in Deutschland finden, auch wenn diese nicht der Extremerfahrung des Feuersturms ausgesetzt waren, sondern „nur“ in den Bombennächten im Keller oder Bunker ausharren mussten, und ganz besonders, wenn sie dabei Angehörige, Haus, oder ihre Habe verloren haben. Die angemessene Berücksichtigung dieser Folgen des Zweiten Weltkriegs in psychotherapeutischen Behandlungen stellt eine nach wie vor präsente Herausforderung dar. ” (Vollständiger Artikel: https://www.aerzteblatt.de/archiv/171883/Folgen-des-Zweiten-Weltkriegs-Der-Hamburger-Feuersturm-und-die-Trauma-Frage
s.a.
- Ulrich Lamparter, Silke Wiegand-Grefe, Dorothee Wierling (Hrsg.): Zeitzeugen des Hamburger Feuersturms 1943 und ihre Familien. Forschungsprojekt zur Weitergabe von Kriegserfahrungen. Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, Göttingen 2013, ISBN 978-3-525-45378-0. (Erträge eines Forschungsprojekts der Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf zur familiären Weitergabe traumatisierungsbedingter Wahrnehmungs- und Lebensmuster auf Nachkommen)
- Tod über Hamburg. Fotos und Notizen aus dem „Feuersturm” – 25. Juli bis 1. August 1943. 144 Seiten, 150 Duoton-Abbildungen. € 24,90 Erhältlich in der Hamburger Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18-32. Öffnungszeiten: Mo.– Fr. 9–19 Uhr, Sa. 10–16 Uhr. Oder bestellen unter www.abendblatt.de/shop.
Die langfristigen Auswirkungen sowohl in historischer Hinsicht als auch im Hinblick auf intraindividuelle und transgenerationale Folgen dieser Kriegserfahrung stehen im Mittelpunkt eines seit 2006 von der Gerda Henkel Stiftung unterstützten interdisziplinären Forschungsprojekts, das untersucht, inwieweit Kriegserlebnisse zu langfristigen Traumatisierungen führen und wie diese individuell, familiär und gesellschaftlich verarbeitet werden. Dazu wurden auf der Homepage der Stiftung auch einzelne Videos veröffentlicht: https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/das_projekt_feuersturm?nav_id=1038
Einen TV-Bericht mit historischen Filmaufnahmen sendete Spiegel.tv. im Mai 2017: http://www.spiegel.tv/videos/142039-feuersturm-ueber-hamburg
* Operation Gomorrha (im englischen Original: Operation Gomorrah) war der militärische Codename für die Serie von Luftangriffen. Er bezieht sich auf eine Bibelstelle im 1. Buch Mose, 19, 24: „Da ließ der HERR Schwefel und Feuer regnen vom Himmel herab auf Sodom und Gomorra“