Nach der tödlichen Messerattacke in Aschaffenburg fordert das Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen mehr Unterstützung für psychisch erkrankte Geflüchtete. Jede dritte geflüchtete Person habe Bedarf an diesen Hilfen, teilte das Netzwerk mit Sitz in Hannover am Samstag mit. Doch nur drei Prozent der Hilfebedürftigen kämen tatsächlich in Behandlung. Zwar könnten diese Maßnahmen Gewalttaten wie in Aschaffenburg nicht verhindern, räumte der Vorsitzende des Netzwerks, Nicolai Zipfel, ein. „Aber sie können deren Wahrscheinlichkeit senken.“
Zipfel verwies auf eine EU-Aufnahmerichtlinie, die psychologische Screenings in den Aufnahmezentren vorschreibe. So könnten frühzeitig Bedarfe ermittelt werden und Menschen Hilfe erhalten, bevor sich ihr psychisches Leid chronifiziere oder verschlimmere. Doch erfolgten solche Untersuchungen nur selten. Zudem schränke das Asylbewerberleistungsgesetz den Zugang zu therapeutischen Behandlungen drei Jahre lang ein. Außerdem seien die Bundesmittel für psychosoziale Zentren jüngst um die Hälfte gekürzt worden.
Mangelnde Perspektiven, beengte Massenunterkünfte, der eskalierende gesellschaftliche Diskurs und traumatische Erlebnisse im Heimatland erhöhten den psychischen Druck unter den Geflüchteten, sagte Zipfel. Dies führe bei einigen zu schweren psychischen Erkrankungen. Doch werde nur ein kleiner Teil der Betroffenen gewalttätig – „und wenn, dann richten sie die Gewalt oft gegen sich selbst“.
Am Mittwoch waren bei einer Messerattacke in Aschaffenburg ein Kita-Kind und ein Mann mit einem Küchenmesser getötet worden. Tatverdächtig ist ein offenbar psychisch kranker 28-jähriger Afghane, der ausreisepflichtig war. Er wurde in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht. (epd)