Gefahr aus dem Netz

Im Netz lauern jede Menge Gefahren für Kinder und Jugendliche. Foto: Pixabay

Die unheilige Allianz von Smartphones, Internet und Pornografie wirft viele ungelöste Fragen und Probleme auf. Das World Wide Web steht auch mit verstörenden Bildern rund um die Uhr zur Verfügung. Was macht das mit uns? Während manche abwiegeln, sehen andere etwa das Phänomen Onlinesexsucht – vor allem bei Erwachsenen. Doch auch 20 Prozent aller 16- bis 19-Jährigen sollen täglich Pornografie konsumieren. Andere Jugendliche sind süchtig nach Chats und Games. Wer bereitet die Kinder vor auf die Tücken des Internets? Manche Eltern haben keine Ahnung, auf welchen Seiten sich ihr Nachwuchs herumtreibt, und setzen keine Grenzen. Kann man Kinder überhaupt auf Pornografie vorbereiten? Viele Fragen – eine Suche nach Antworten …

Computer und Smartphones verändern die Welt, auch die von Kindern und Jugendlichen – und das nicht nur zum Positiven. Neben sinnvollen Möglichkeiten und nützlichen Informationen eröffnen sie ihren Nutzern die unendlichen Weiten des Internets – inklusive Chatforen, Computerspielen und Pornografie. Ende Februar berichtete das Hamburger Abendblatt, in Deutschland litten immer mehr Jungen und Mädchen an einer computerspiel- oder internetbezogenen Abhängigkeit – mittlerweile rund 270.000. Es berief sich dabei auf eine aktuelle Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und sprach auch mit Professor Rainer Thomasius, dem Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kinder- und Jugendalters am Universitätsklinikum Eppendorf. Dieser plädierte für ein Handyverbot an allen Schulen, strengere Regeln für die Computerspielindustrie sowie die Begrenzung und Kontrolle von Online-Aktivitäten durch Eltern. Knapp fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen seien internetsuchtgefährdet.

Der EPPENDORFER sprach mit Beate Proll vom Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung. Sie leitet die Abteilung Beratung – Vielfalt, Gesundheit und Prävention. Immer mehr Eltern fragten nach dem richtigen Umgang mit Internet und Smartphones, so Proll. Viele seien unsicher – und auch unreflektiert in ihrer Vorbildfunktion. Angesichts der wachsenden Zahl an Ganztagsschulen werde der Erziehungsauftrag der Schulen wichtiger. Zum Schutze der Nutzer vermittle die dort geleistete Medienerziehung wichtiges Know-how für die digitale Welt. Eltern und Lehrer sollten immer wieder ermuntert werden, das Thema Sicherheit im Netz zu besprechen. Auch beim Thema Sexualerziehung sollten die Eltern am Ball bleiben: „Wenn Kinder und Jugendliche eine gute sexuelle Bildung haben, dann können sie auch mit grenzwertigen Formaten gut umgehen“, so Proll. Es komme vor, dass Kinder durch Zufall auf einer Pornoseite landen oder dass sie in einem Chat über Ponys plötzlich durch ein Fake-Profil nach der Farbe ihres Slips gefragt werden. Ein sehr problematisches Thema sei allerdings Cybermobbing mit sexuellen Inhalten. Es sei derartig tabuisiert, dass die Opfer oft nicht einmal ihre beste Freundin einweihten. Schulische Sexualerziehung ist laut Proll ab der Grundschule vorgesehen. Nach der Aufklärung folgten Themen wie Pubertät, Liebe, Verhütung und sexuelle Orientierung. Beim Thema Sexualität/das erste Mal gehe es darum, auch auf sich selbst zu achten, sensibel auf den Partner einzugehen und sexuelle Mythen aufzubrechen. Der Fokus werde auf positive Sexualität gesetzt. Das Thema Pornografie sei in der Sexualerziehung nicht schwerpunktmäßig im Lehrplan vorgesehen. Es könne bei älteren Schülern jedoch am Rande vorkommen. Das Thema sei schwierig: „Ohne Material ist es zu abstrakt, mit ist es schon rechtlich problematisch“. Was die mediale Präsenz von Internetpornografie mit den jungen Menschen mache, darüber wisse man noch nicht viel. Auch über potentielle Suchtgefahren wisse man noch zu wenig. Klar sei jedoch: „Sexuelle Aufklärung ist nicht überholt“.

Auch der Jugendschutzparagraf, der das Zugänglichmachen von Pornografie an Kinder und Jugendliche unter Strafe stellt, scheint nicht überholt zu sein: Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Hamburg gebe es durchaus Verfahren, die den Tatbestand des § 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllten – beispielsweise, wenn über den Klassen-Chat unaufgefordert pornografische Bilder oder Videos verschickt werden. Es werde angeklagt und verurteilt. Da es sich zumeist um Jugendverfahren handele, werde allerdings – bevor es zu einer Anklage kommt – zunächst versucht, mit erzieherischen Maßnahmen nach dem Jugendgerichtsgesetz auf den Täter einzuwirken. „Sinn und Zweck der Norm ist es, Kinder und Jugendliche in ihrer Persönlichkeitsentwicklung vor Pornografie zu schützen“, erläutert Annette Voges, Fachanwältin für Strafrecht und Vizepräsidentin der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg im Gespräch mit dem EPPENDORFER. Es handele sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das der BGH-Senatsvorsitzende Thomas Fischer in seinem StGB-Standard-Kurzkommentar als „überzogen“ bezeichne. „Ich bezweifle, ob sich dieses Thema überhaupt durch das Strafrecht regeln lässt“, so Voges. Das Strafrecht sei immer nur „Ultima Ratio“, das letzte Mittel. Viel wichtiger seien Erziehung und Wertevermittlung durch Eltern und Lehrer – doch Erziehung finde häufig kaum noch statt.

„Pornographie tut niemandem gut, weder Kindern noch Jugendlichen – und eigentlich auch nicht den Erwachsenen“, sagt Gabriela Küll, Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche und Vorstandsmitglied der Hamburger Psychotherapeutenkammer. „Kinder sprechen die Sprache der Zärtlichkeit, Erwachsene die der Leidenschaft. Das passt nicht zusammen“. Allerdings: Kinder aus intakten Elternhäusern schauten sich so etwas normalerweise gar nicht an. „Sie verstehen es nicht und finden es doof“, so Küll. Kinder mit problematischer Vorgeschichte allerdings könnten Pornografie interessant finden. Insbeson- dere, wenn sie mit Gewalt verbunden ist, sei sie schwer zu verarbeiten. Wenn niemand diesen Minderjährigen helfe, könne das etwa ihr späteres Sexualverhalten prägen. Im schlimmsten Fall komme es zu Quälaktionen gegen jüngere oder schwächere Kinder. Jungen seien durch Pornografie stärker gefährdet als Mädchen. Das gelte aufgrund anderer Rollenbilder und Tabus insbesondere auch für Kinder mit Migrationshintergrund. Mit Kindern über Sexualität zu sprechen, sei schwierig. „Kinder wollen das nicht“. Dennoch sei es die vorrangige Aufgabe der Eltern, die Kinder gut auf das Thema vorzubereiten. Ein Beispiel zur frühen Vermittlung von Know-how im World Wide Web ist etwa das Projekt Internet-ABC-Schule Hamburg. Im Schuljahr 2014/2015 haben sich mehr als 30 Grundschulen daran beteiligt. Schwerpunkte sind neben der schrittweisen Vermittlung der Internetkompetenz auch Lehrerfortbildungen und Elternabende. Grundlage ist das Lern- und Mitmachportal Internet-ABC, das sich an Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren wendet (www.internet-abc.de). Weitere Websites mit Tipps zum sicheren Surfen im Internet sind etwa die Seite www.sicher-im-netz.de oder auch www.schau-hin.info. Gesa Lampe