Das hat es in Hamburg so noch nicht gegeben: Nach einem Brandanschlag mit Todesfolge auf Mitarbeiter des Bezirksamtes Altona am 24. September soll in Gesprächen mit Innen- und Gesundheitsbehörde geprüft werden, ob das Hamburger System verändert werden muss, bei dem psychisch Kranke vom sogenannten Zuführdienst in Krankenhäuser gebracht werden statt wie andernorts durch Beamte von Polizei bzw. Feuerwehr.
Das war passiert: Ein nicht als gefährlich eingeschätzter 28-jähriger Mann in der Weusthoffstraße im Bezirk Hamburg-Harburg hatte seinen Betreuer, zwei Mitarbeiter des Zuführdienstes, die ihn in eine psychiatrische Klinik bringen wollten, sowie sich selbst mit einer brennbaren Flüssigkeit bespritzt und in Brand gesetzt. Ein 50 Jahre alter Behördenmitarbeiter, der sich noch die brennende Jacke ausziehen konnte, starb auf dem Rasen vor dem Haus an seinen schweren Verletzungen. Sein 59-jähriger Kollege konnte die Flammen in der Wohnung unter der Dusche löschen und sich ins Freie retten. Er überlebte schwer verletzt. Ebenso wie der psychisch kranke 28-Jährige, der sich bei einem Sturz aus dem Fenster im dritten Stock des Mehrfamilienhauses schwer verletzte. Der Betreuer kam mit leichten Verletzungen davon.
Unterdessen hat Vize-Bezirksamtsleiter Kersten Albers gegenüber NDR 90.3 den Brandanschlag als Einzelfall gewertet und sich für ein Festhalten am Vorführdienst ausgesprochen: „Unsere spontane Einschätzung ist, dass wir an dem System des nicht uniformierten Zuführens in Hamburg festhalten wollen.” (s. https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Bezirksamt-wertet-Brandanschlag-als-Einzelfall,brandanschlag560.html). Die Beamten des Zuführdienstes bringen demnach jährlich rund 4.000 Kranke in die Psychiatrie. Die Zahl der Übergriffe – Rempeleien o.ä. – sei rückläufig, im Vorjahr seien 40 gezählt worden.
Einen eindrücklichen Eindruck von der Arbeit des Zuführdienstes vermittelt ein Beitrag in der aktuellen ZEIT: Autorin Nike Heinen war zwei Wochen vor dem Anschlag mit den beiden Opfern unterwegs und beobachtete sie bei ihrer Arbeit. „Wenn Sie diesen Text gelesen haben, wissen Sie, mit welcher Umsicht, Feinfühligkeit und, ja, Vorsicht die Mitarbeiter des Hamburger Zuführdienstes vorgehen. Aus welchem Erfahrungsschatz sie schöpfen und wie individuell sie jeden einzelnen Menschen (gerade eben stand hier noch das Wort »Fall«) behandeln”, schrieb Sigrid Neudecker in der „Elbvertiefung”. dem Hamburg-Newsletter der ZEIT (https://www.zeit.de/hamburg/2018-10/elbvertiefung-04-10-2018) . „Die Behördenmitarbeiter wissen, wie sie die Stimmen in den Köpfen der Kranken übertönen können, zu welcher Tageszeit die wenigsten Nachbarn zusehen und wann der Anblick einer Uniform mehr hilft als Angst macht.”
Über den psychisch kranken Mann hatte die „Zeit Hamburg” online in einem früheren Bericht mit Bezug auf ein Gespräch mit dem Leiter des Altonaer Gesundheitsamtes, Johannes Nießen berichtet: „Da er unter einer schweren Psychose litt, hatte das Gericht ihm 2014 einen Betreuer zur Seite gestellt. Bis Anfang des Jahres lebte er in einer Pflegeeinrichtung. Aber solche Plätze sind knapp, daher war er seit diesem Jahr wieder zu Hause, mit seinem Vater. Sobald sie auf sich allein gestellt sind, setzen viele Psychiatriepatienten die Medikamente wieder ab. Dann kommt die Krankheit mit voller Wucht zurück. So war es auch diesmal. Deshalb hatte der Betreuer des Mannes für ihn bei Gericht die geschlossene Unterbringung beantragt.”
(rd)