Die psychischen Folgen von Krieg, Verfolgung und Flucht betreffen nicht nur die unmittelbar Betroffenen – sie können über Generationen weitergegeben werden. Das zeigen aktuelle Studien des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit (DZPG). Demnach hinterlassen extreme Belastungen wie der Holocaust oder Kriegsflucht nicht nur psychische, sondern auch biologische Spuren, etwa in familiären Beziehungen oder im Erbgut.
Besonders gut erforscht ist das bei Nachkommen von Holocaust-Überlebenden. Doch auch Kinder aus Familien der Tätergeneration, Menschen mit Unrechtserfahrungen aus der DDR oder Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan oder der Ukraine zeigen ähnliche Belastungen.
Die Psychiaterin Prof. Dr. Dr. Elisabeth Binder vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München untersucht, wie sich traumatische Erfahrungen epigenetisch niederschlagen – also auf die Genregulation wirken. Veränderungen etwa am Gen FKBP5 könnten die Stressverarbeitung der Kinder beeinflussen. Diese Effekte lassen sich sogar im Nabelschnurblut nachweisen und stehen im Zusammenhang mit der späteren psychischen Gesundheit.
Ein weiteres DZPG-Projekt unter Leitung der Psychologin Prof. Hanna Christiansen von der Universität Marburg beleuchtet, wie Traumata durch gestörte familiäre Interaktionen weitergegeben werden. Kinder psychisch belasteter Eltern entwickeln demnach mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit selbst Auffälligkeiten – auch durch feine, alltägliche Belastungen – mangelnde Responsivität, fehlende Struktur oder überfordernde emotionale Zustände.
DZPG-Sprecher Prof. Peter Falkai betont: „Transgenerationale Traumaweitergabe ist kein theoretisches Konzept, sondern Realität in Biologie und Verhalten.“ Die Forschung zielt darauf ab, frühzeitig Risiken zu erkennen und präventiv zu handeln. (rd/PM)