Menschen mit der sexuellen Neigung Pädophilie befinden sich in einem unlösbaren Konflikt. Ihre Art zu lieben ist in unserer Gesellschaft mit einem klaren Verbot besetzt. Ein Outing jedoch stellt die meisten Betroffenen ins soziale Abseits: Isolation und Scham sind häufig nicht die einzigen Folgen. Dieser Problematik widmet sich der Film STIGMA. Das Dokudrama stand im Mittelpunkt eines Symposiums des AMEOS Klinikums für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie Ueckermünde im November unter dem Titel „Pädophilie – Prävention und Therapie“.
UECKERMÜNDE. Die Geschichte des Kurzfilms basiert auf rund zehn Stunden Gespräch des Regisseurs Peter Jeschke mit einem pädophilen Mann. Schonungslos offen erzählt dieser seine Geschichte. Von den ersten Erfahrungen als 13-Jähriger bis hin zu selbst auferlegten Einschränkungen im späteren Alltag. Dazu gehört auch eine Kontaktsperre zur Tochter, weil es so besser sei. Peter Jeschke inszeniert die Gesprächssituation in einem nüchternen Tonstudio nach: Zwei Schauspieler, zwei Mikrofone und der Originaltext. Ein eindringliches Kammerspiel über den Kampf eines Mannes gegen sich selbst.
Der Protagonist hatte Hilfe im Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ an der Berliner Charité gesucht, berichtet Jens Wagner, Co-Autor und Pressesprecher des Projektes. Wagner stellte das professionelle Therapieangebot vor, das den Betroffenen Anonymität zusichert. „Wir wissen“, so Wagner, „dass durch die Therapie missbrauchsbegünstigende Einstellungen und Verhaltensweisen – zum Teil mit medikamentöser Unterstützung – erheblich gesenkt werden können und dadurch sexuelle Übergriffe verhindert werden.“
Inzwischen bieten elf Standorte in Deutschland eine solche Anlaufstelle an. Den Bedarf dafür sehen die Fachleute auch für die ländliche Region unbedingt, äußerte eine Behördenmitarbeiterin in der Diskussion. Die Chefärztin der Forensik Ueckermünde, Ramona Strohm, stellte in ihrem Überblick klar: Nicht jeder pädophile Mann wird zum Sexualstraftäter. Aber rund 40 Prozent der Fälle von sexuellem Missbrauch werden von Pädophilen verübt. Die Daten beziehen sich nur auf das sogenannte Hellfeld, was im Dunkelfeld liegt, bleibt ungewiss.
„Am Anfang steht immer die Aussage ,Das ist mir passiert’“, so Strohm, „dann beginnt für uns die Arbeit, zu schauen, was war davor.“ Über eigene Gefühle und Handlungen zu sprechen sei für Betroffene der schwerste und wichtigste Schritt, um potentielle Opfer besser zu schützen. Bei einer erstmals für Patienten organisierten Filmvorführung in der Ueckermünder Forensik sei das Staunen über die Offenheit des Protagonisten groß gewesen, berichtete Regisseur Peter Jeschke. Einige waren sofort bereit, über sich zu sprechen, weil sie sich mit dem Mann identifizieren konnten. „Der Film“, so Jeschke selbst etwas überrascht, „funktionierte wie ein Türöffner.“ Anja Baum