Am Anfang stand die Versorgungsnot, sagt der Kinder- und Jugendpsychiater Professor Michael Schulte-Markwort. „Seit Jahren sind wir, bin ich sehr überlaufen.“ Kinder und Jugendliche müssen in der Regel monatelang auf einen Psychotherapieplatz warten. Daher sei er auf die Idee gekommen, einige der Kinder und Jugendlichen auf seinem Privathandy per WhatsApp zu beraten – am Ende stand eine eigens entwickelte App, die seit kurzem auf dem Markt ist.
Schnell habe er gelernt, „wie schnell, effektiv und intensiv ich meine kleinen und großen Patienten versorgen konnte“. Die WhatsApp-Beratung sei wie eine „digitale Nabelschnur“ gewesen, so der ärztliche Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf (UKE) gegenüber dem Hamburger Abendblatt über die Initialzündung für die Entwicklung seiner „mobilen kinder- und jugendpsychiatrischen Beratung“ namens „mysoul“. Einer seit kurzem erhältlichen Chat-App, die depressiven Kindern und Jugendlichen helfen soll, die Wartezeit auf einen Therapieplatz zu überbrücken.
MySoul dient der Begleitung von Kindern und Jugendlichen mit Depressionen über etwa drei Monate. Es handele sich explizit nicht um eine Therapie, wie auf der Homepage betont wird. Die App wurde zunächst mit 30 jungen UKE-Patienten getestet.
„Hallo, hier ist MySoul, wie war es heute in der Schule?“ ist eine typische mysoul-Frage, die täglich zur gleichen Zeit – automatisiert – als Frage erscheint – und beantwortet wird. Wenn es einem Kind schlechter geht oder gar suizidale Gedanken aufkommen, kann mit der Chatfunktion Kontakt zum Arzt aufgenommen werden – oder der Roboter meldet ein Risiko an den Arzt, der sich dann bei Kind und/oder Eltern meldet, so Markwort auf der Homepage: „Du kannst im Notfall auch immer über mySoul prime direkt Kontakt mit Professor Schulte-Markwort aufnehmen“, heißt es dort auch. Wochenendkrisen scheinen nicht vorgesehen. „Er oder sein Team antworten so schnell es geht“, heißt es: „Im Zeitraum Montag bis Freitag von 9:00h bis 18:00h.”
Das Ganze kostet Geld und gibt’s in zwei Versionen: Die „prime“-Variante mit täglicher ärztlicher Überwachung schlägt mit einmalig 190 Euro zu Buche, danach mit 9,90 Euro monatlich. mySoul value – ohne Überwachung – kostet weniger. Einige Krankenversicherungen würden die Kosten bereits übernehmen.
Derweil denkt Schulte-Markwort bereits in größeren Dimensionen. Er arbeitet bereits an einer Präventions-Version und hofft offenbar auf Übertragung auch auf andere Diagnosen sowie bundesweite Ausdehnung mittels regionaler Individualisierungen, verriet er dem Abendblatt. (rd)