Es war ein schleichender Tod, aber nun kam das endgültige Aus für die Integrierte Versorgung in Hamburg und Schleswig-Holstein. Die das fortschrittliche ambulante Versorgungsmodell managende Gesellschaft abitato gGmbH wird nach 13 Jahren zum Jahresende aufgelöst, die Versorgung beendet. Das teilte die Abitato mit, deren aktueller Geschäftsführer und Liquidator Frank Nüsse von der Brücke Lübeck/Ostholstein gGmbH ist.
„Netzwerk psychische Gesundheit” nach §140a SGB V ambulante Versorgung von Menschen mit einer psychischen Erkrankung – so die offizielle Bezeichnung des Modells. Ziel bei Einführung: notwendige stationäre Behandlungen bei Ersterkrankten oder Folgebehandlungen zu vermeiden. Dafür wurden ab 2010 sog. Selektivverträge nach § 140 a SGB V mit Krankenkassen geschlossen und seitdem ca. 10.000 Patient:innen ambulant versorgt.
Beteiligte Gesellschafter, die die ambulante Versorgung umgesetzt haben, sind in Schleswig Holstein: Die Brücke Schleswig-Holstein gGmbH, Die Brücke Lübeck und Ostholstein gGmbH und das Kieler Fenster e.V.. In Hamburg die Stiftung Freundeskreis Ochsenzoll, der Nussknacker e.V., Der Hafen e.V., der Trägerverbund psychische Gesundheit gGmbH/ jwrg e.V. und im Landkreis Harburg die HiPsy gGmbH.
„Durch die auch aufsuchende „Behandlung im direkten sozialen und persönlichen Umfeld der teilnehmenden Patient:innen wurden viele Krisensituationen gemeistert, Angehörige, darunter auch Kinder und Jugendliche, unterstützt und durch Interventionen, die auf die individuellen Bedürfnisse der jeweiligen Patient:innen abgestimmt waren (z.B. Aufbau von persönlichen und professionellen Netzwerken), Klinikaufenthalte erfolgreich vermieden“, heißt es in der Pressemitteilung weiter.
Bis zu 2200 Patientinnen nahmen gleichzeitig teil
In den erfolgreichsten Jahren hatte die abitato mit allen großen Krankenkassen und vielen kleinen Betriebskrankenkassen entsprechende Selektivverträge abgeschlossen. Bis zu 2200 Patient:innen nahmen gleichzeitig an der „sog. Integrierten Versorgung, heute Besonderen Versorgung“, teil. Anfänglich konnten Patient:innen, je nach Vertrag mit der beteiligten Kasse, zwei oder sogar drei Jahre versorgt werden .
Selektivverträge bieten Krankenkassen die Möglichkeit, außerhalb der Regelversorgung neue und alternative Versorgungsansätze zu erproben, heißt es zur Erklärung weiter Das Konzept des Netzwerks psychische Gesundheit: aufsuchende Behandlung (hometreatment) auch nachts und an Wochenenden; eine 24/7 stündige Rufbereitschaft mit ggf. aufsuchender Krisenintervention; Versorgung ausgerichtet auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Patient:innen, auf Wunsch unter Einbezug von Angehörigen (need adapted treatment); die Möglichkeit, in Krisensituationen in sog. Rückzugsräumen außerklinisch versorgt zu werden. Durch behandelnde psychiatrische Fachärzte und Kliniken, die Kooperationsverträge mit den Anbietern schließen konnten, war ein enger Austausch möglich.
Bessere Lebensqualität, aber zu wenig Einsparpotential
2016 stellte eine Evaluation fest, dass sich die Lebensqualität der Patient:innen „signifikant“ verbessert habe. Die Krankenkassen hätten festgestellt, „dass sich keine signifikanten Einsparpotentiale ergeben hatten“. Als Folge dessen wurde zunächst die Versorgung von Menschen mit einer psychischen Erkrankung, die bisher nicht stationär behandelt wurden, eingestellt. Nun konnten nur noch Patient:innen nach einem Klinikaufenthalt teilnehmen. Im weiteren Verlauf wurden zudem die Teilnahmezeiträume „drastisch gekürzt“. „Gleichzeitig steuerten die Kassen immer häufiger Patient:innen mit sehr schweren Krankheitsverläufen in die Versorgung, bei gleichbleibender oder teilweise sinkender Vergütung“, so die PM.
Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten seien die Teilnehmerzahlen jedoch insgesamt nicht mehr ausreichend, um das Angebot kostendeckend weiter anbieten zu können. „Daher haben wir uns mit großem Bedauern entschieden, unsere noch bestehenden Verträge zum 31.12.2023 zu kündigen und unsere Versorgung zu diesem Datum zu beenden.“ (rd/PM)