Cannabis-Rezepte oft abgelehnt

Die Nachfrage nach dem Arzneimittel Cannabis ist groß. Die Verschreibungen der Ärzte sind umstritten. Foto: screenshot YouTube.de/arte

Die Wirksamkeit von Cannabis als Arzneimittel ist umstritten. Den Blüten und Extrakten der lange als Kiffer-Droge verschrienen Pflanze wird nachgesagt, chronischen Schmerz, Schlaf- und Angststörungen zu lindern und auch Depressionen, Demenz und Psychosen zu bekämpfen. Dagegen heißt es in einer Studie der Universität Bremen und der Techniker Krankenkasse: „Es ist unklar, welchen Patientengruppen Cannabis in welcher Dosis hilft und in welcher Form es am besten verabreicht werden sollte.”

Die Studienlage zu Wirksamkeit und Sicherheit von Cannabis als Medizin gilt als lückenhaft, als Medikament ist es nicht regulär zugelassen. Trotzdem müssen die Krankenkassen die Kosten für die Behandlung schwer kranker Patienten mit Cannabis seit März 2017 übernehmen. Damals hatte das Bundesgesundheitsministerium ein Cannabis-Gesetz vorangetrieben, um Cannabis als Medizin in begründeten Einzelfällen zuzulassen. Zuvor hatten Gerichte mehreren Schwerkranken erlaubt, Cannabis für den medizinischen Eigenbedarf anzubauen.

Nach Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes erreichten die Krankenkassen bis Februar 2018 rund 16.000 Anträge auf Übernahme der Kosten für Cannabis als Arzneimittel. Rund 40 Prozent der Anträge wurden abgelehnt. Die „hoch erscheinende Ablehnungsquote” begründet die Techniker Krankenkasse in ihrem Bericht mit „zum Teil banalen Diagnosen, der Verfügbarkeit wirksamer Therapiealternativen oder der Unvollständigkeit von relevanten Angaben in den Anträgen”.

Das lassen Ärzte wie Sven Gottschling nicht gelten. Der Medizinprofessor vom Universitätsklinikum des Saarlands wirft den Krankenkassen vor, selbst gut begründete Anträge abzulehnen. „Da findet eine Abwehrschlacht statt, die uns Ärzte demoralisieren soll.”

Er räumt aber auch ein: „Der Informationsstand vieler Ärzte zu Cannabis als Medizin entspricht dem medizinischer Laien.” Gottschling ist nicht nur fachlich versiert, er beherrscht auch den öffentlichen Auftritt. Mit „Leben bis zuletzt”, einem Erklärbuch zur Palliativmedizin, schaffte er es auf die „Spiegel”-Bestsellerliste.

Ärzte wissen Gottschlings Fortbildungen zu Cannabis zu schätzen. „Da kommen teilweise über 100 Kollegen. Ärzte können jetzt 14 verschiedene Cannabis-Blütensorten verschreiben und haben jeden Tag drei Patienten in der Sprechstunde, die das einfordern”, umreißt Gottschling das Informationsbedürfnis. Er will jetzt eine Online-Fortbildung zu Cannabis anbieten, außerdem einen Leitfaden in einer Auflage von rund 100.000 Stück an niedergelassene Ärzte verteilen.

Handeln will auch die Stadt Frankfurt am Main. „Wir haben uns dazu entschlossen, das Cannabis-Gesetz in die Praxis zu begleiten, damit es nicht steckenbleibt”, sagt Gesundheitsdezernent Stefan Majer von den Grünen. Er spricht von erheblichen Anlaufschwierigkeiten. Er will erreichen, dass die Frankfurter Patienten bei Bedarf ohne große Schwierigkeiten ihre Medikamente bekommen.

Seine Partei hat deshalb durchgesetzt, dass die Stadt eine dreijährige Studie zum Informationsstand von Ärzten und Patienten finanziert. Geplant ist der Aufbau eines Netzwerks für Patienten und Ärzte, das ganz bewusst auch die Apotheken einbezieht.

Ein Team von Wissenschaftlern des Centre for Drugs Research des Universitätsklinikums Frankfurt um den Versorgungsforscher David Groneberg soll in einem ersten Schritt rund 2.000 Allgemeinmediziner, Neurologen, Rheumatologen und Schmerztherapeuten anschreiben und befragen. Majer im Gespräch mit der „Frankfurter Rundschau”: “Wir wollen uns das Verschreibungsverhalten der Ärzte anschauen. Und wir möchten auch wissen, wie viele Menschen, denen Cannabis helfen könnte, kein Rezept bekommen.”

Sven Gottschling weist auch auf die Missbrauchsgefahr von Cannabis hin. Dies zeige ein inzwischen gelöschtes Video bei YouTube: Die Macher hätten Kiffern Tipps gegeben, wie man an Cannabis auf Kassenkosten komme, erzählt Gottschling. „Das Video hatte eine Million Klicks.”  Jonas Krumbein (epd)

Einen ausführlichen Bericht über die Wirkmöglichkeiten von Cannabis, die auch Thema der jüngsten Suchttherapietage in Hamburg waren, lesen Sie in der nächsten EPPENDORFER-Druckausgabe, die am 5. Juli erscheint.

Arte-Dokumentation über „Cannabis auf Rezept”:

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Vollständiger TK-Studienreport:

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