Hamburgs Psychiatrie
hatte die Wahl

Am 23. Februar haben die Hamburger die Wahl, von wem sie in den nächsten vier Jahren regiert werden wollen. Foto: Tim Reckmann / pixelio.de

Am Sonntag wurde in Hamburg gewählt. Alle Zeichen stehen auf Fortsetzung der rot-grünen Koalition, wobei es eine Machtverschiebung zugunsten der Grünen gab. In den nächsten Wochen wird nun über Inhalte und einen neuen Koalitionsvertrag verhandelt. Wo es nach der Wahl nach Meinung der verschiedenen Parteien in Sachen Psychiatrie hingehen soll, sollte vorab u.a. über „Wahlprüfsteine” (Ergebnis s. Anhang unten) geklärt werden, auch zwei Wahl-Diskussionen wurden anberaumt. Die CDU fiel besonders auf: Die Christdemokraten schickten weder Diskussionsteilnehmer noch Antworten auf den Fragenkatalog.

Psychiatrie spielt bei Bürgerschaftswahlen erfahrungsgemäß eine untergeordnete Rolle. Dabei dürfte die Dramatik der Lage im Bereich der Versorgung schwerer Erkrankter genug Stoff hergeben: Geklagt wird über überlastete Akutstationen, mehr Gewalt, Frust und Fluktuation im Personalbereich, Patienten, die teils monatelang Betten „blockieren“, weil es wegen eklatanten Mangels im nachstationären Bereich einfach keinen anderen Platz für sie gibt, wodurch sie drohen, erneut zu erkranken. Andere Patienten müssen nach auswärts, bis nach Bayern verlegt werden, was seit vielen Jahren kritisiert wird.

Vor dem Hintergrund einer „zunehmend kritischen Problemlage“ haben Klinikdirektoren und Sozialdienste der Psychiatrien aus Sorge insbesondere um die Versorgung schwer psychisch Erkrankter in Hamburg „Wahlprüfsteine“ in Form von sieben Fragen entwickelt. Darin wird etwa gefragt, was die Parteien tun wollen, um den „Export“ von schwerkranken Patienten in die gesamte Republik zu reduzieren und die „problematische Aufspaltung des Sozialsystems (SGB V, IX, XI, XII) zu überwinden, um eine individuelle Lösung für den Patienten zu finden”. Die kompletten Fragen und Antworten – soweit eingetroffen – können Sie unten herunterladen.

Die Hamburgische Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (HGSP) lud für 22. Januar zu einer Wahldiskussion ein – einem „Psychiatriepolitischen Impuls“ – , um die (gesamt-) psychiatriepolitischen Ideen der Parteienvertreter abzufragen. Nach einer „fast trialogischen Annäherung“ zum Thema „krank werden – gesund bleiben” und einem Impulsbeitrag von Prof. Arno Deister mit dem Titel: „Quo vadis Psychiatrie?” standen allerdings nur Vertreterinnen von drei Parteien Rede und Antwort. Die CDU konnte nach EPPENDORFER-Informationen – trotz Bemühungen – bis zum letzten Moment keinen Vertreter finden, die FDP hatte früh abgesagt, die AfD wurde nicht angefragt. So standen allein Sylvia Wowretzko (SPD), Christiane Blömeke (GRÜNE) und Anna Rinne (Linke) für Fragen zur Verfügung. Wie die Veranstalterin die Diskussion sah, entnehmen Sie der HGSP-Pressemitteilung, eine Darstellung aus Betroffenensicht ist auf der Homepage des Vereins für Genesungsbegleiter Hamburg eingestellt.

Größter Überraschungsmoment für die anwesenden Politikerinnen: Die Tatsache, dass es immer noch keinen Krisendienst gibt. Dieser sollte als kleine – rein telefonische – Lösung ohne aufsuchenden Dienst eigentlich in 2019 umgesetzt werden. Doch: Am 18. Dezember antwortete die Pressestelle der Gesundheitsbehörde auf EPPENDORFER-Anfrage, dass eine fachliche Koordinierungsstelle am Sozialpsychiatrischen Dienst des Bezirksamtes Altona bislang noch gar nicht ausgeschrieben worden sei, was „in Kürze durch das Bezirksamt Altona erfolgen” werde, „so dass nach derzeitigem Stand davon ausgegangen wird, diese Stelle im Verlauf des 1. Quartals 2020 besetzen zu können.” Das sogenannte Krisentelefon werden allerdings erst dann seine Tätigkeit aufnehmen, „sobald im Anschluss an die hauptamtliche Besetzung der fachlichen Koordinierungsstelle, die für die telefonische Beratung erforderlichen, in der Arbeit mit psychisch Kranken qualifizierten sozial-pädagogischen Fachkräfte auf Honorarbasis gewonnen werden konnten.” (hin)