Protest gegen
teure Kassensitze

Nachwuchs-Psychotherapeut*innen müssen für einen Kassensitz teils hohe Preise zahlen, wenn sie eine eigene Praxis eröffnen wollen. Symbolfoto: pixabay

Schnäppchen sieht anders aus: Bis zu 85.000 Euro müssen Nachwuchs-Psychotherapeut*innen in Köln für einen halben Kassensitz bezahlen, wenn sie eine eigene Praxis eröffnen wollen. Gegen die hohen Kosten für eine Zulassung läuft eine Petition auf der Internet-Plattform „Change.org“. Bis Ende Oktober kamen bereits rund 52.000 Unterschriften zusammen.

In anderen Bundesländern haben sich die Kosten bei der Übernahme eines Kassensitzes nicht so sprunghaft nach oben entwickelt, ergaben Anfragen des EPPENDORFER bei den Psychotherapeutenkammern in Hamburg und Schleswig-Holstein. Hier kosten halbe Sitze um 20.000 Euro, volle Sitze rund 40.000 Euro. Die Preise richten sich nach dem bisher erzielten Umsatz und der Lage der Praxis. 

Sowohl Heike Peper, Präsidentin der Therapeutenkammer in Hamburg, als auch Michael Wohlfarth, Geschäftsführer der Kammer in Schleswig-Holstein, können den Ärger des Nachwuchses verstehen, die nach der langen und teuren Ausbildung auch noch für den Sitz zahlen müssen. Beide verstehen aber auch die Älteren, die sich durch den Abschlag ein Polster für den Ruhestand zu verschaffen wollen: „Auch in anderen Branchen muss man für eine Existenzgründung  Geld ausgeben“, sagt Wohlfarth. Ein Kritikpunkt lautet, dass viele der heutigen Niedergelassenen nichts für ihren Sitz bezahlt haben, weil er von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) frei vergeben wurde. Das sei richtig, sagt Peper. „Auf der anderen Seite hat diese Generation auch wenig für ihre Altersversorgung getan, weil die Versorgungswerke der Kammern erst später eingerichtet wurden.“

Wichtig sei, sagen beide, einen fairen Ausgleich zwischen abgebenden und neuen Therapeut*innen zu finden – dasselbe Ziel verfolgt auch die Online-Petition, die das System nicht abschaffen, aber die Preise deckeln möchte. 

Denn aktuell verschieben sich die Gewichte: Statt Einzelpraxen entstehen „immer mehr Big Player, die eine hohe Anzahl von Therapeut*innen beschäftigen“, heißt es in der Petition. Das passiert über Medizinische Versorgungszentren (MVZs), die teilweise von Klinikkonzernen oder Investoren betrieben werden. Meist finden sich in diesen Zentren mehrere Fachrichtungen – bis 2015 war es Pflicht, mindestens zwei ärztliche Tätigkeiten zu einem MVZ zu vereinigen. 

Oft tun sich Dialysezentren mit einer Therapeutenpraxis zusammen, hat Heike Peper beobachtet: „Therapeuten brauchen keine teuren Geräte und wenig Platz.“ Tatsächlich findet sich diese Kombination bundesweit häufig, in Hamburg gleich zweimal, im „MVZ im Alstertal“ und dem MVZ „PHV Hamburg-Langenhorn“. 

Insgesamt gebe es einfach zu wenige Sitze, sagt Peper. Viele der Plätze, die von einem größeren Betreiber in ein MVZ übernommen worden sind, gelangen nicht wieder in die freie Vergabe. Daher seien die Stellen in den MVZs trotz schlechter Verträge hoch begehrt, so Peper: „Da wird die Not der jungen Kollegen ausgenutzt, die nach der langen Ausbildung endlich arbeiten wollen.“

Die Petition soll an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) überreicht werden. Die Initiatoren weisen darauf hin, dass es nicht nur um die Interessen der Therapeut*innen geht, sondern ebenso um die Patient*innen, die oft lange auf eine Beratung warten müssen. Esther Geißlinger

(Einen weiteren, ausführlicheren Bericht lesen Sie in der nächsten EPPENDORFER-Printausgabe, die am 9. November in den Druck geht.)