Neue Modelle braucht das Land: Niedersachsens Landespsychiatrieplan

Gesundheitsministerin Cornelia Rundt bei der Vorstellung des Landespsychiatrieplans Niedersachsen. Foto: HilgersGesundheitsministerin Cornelia Rundt bei der Vorstellung des Landespsychiatrieplans Niedersachsen. Foto: Hilgers

HANNOVER (hil). In Krisensituationen mangelt es an zeitnahen Hilfen, teils fehlen wohnortnahe Angebote, und Angehörige erhalten häufig zu wenig Beratung und Unterstützung. Das geht aus dem Landespsychiatrieplan Niedersachsen hervor, den Gesundheitsministerin Cornelia Rundt (SPD) vor zwei Jahren in Auftrag gegeben hatte. Er soll Verbesserungsmöglichkeiten für die kommenden zehn Jahre deutlich machen.

Der Landespsychiatrieplan wurde von einer Expertenkommission zusammengestellt und analysiert die Versorgungssituation in Niedersachsen. Das Ergebnis wurde jetzt in Hannover in der Akademie des Sports vorgestellt. Eingeladen waren rund 160 Personen, die in Kliniken und Institutionen arbeiten, darunter auch Vertreter von Verbänden, Krankenkassen und Sozialpsychiatrischen Diensten.

Cornelia Rundt plädierte dafür, die Vorbeugung zu stärken, die Zusammenarbeit mit Hausärzten zu verbessern, die Selbsthilfe zu unterstützen und die vorhandenen Angebote in den Regionen besser zu koordinieren. Die ambulante psychiatrische Versorgung solle gestärkt werden, um stationäre Behandlungen zu reduzieren. Die Sozialpsychiatrischen Dienste seien bei der Umsetzung ein wesentlicher Baustein und hätten eine besondere Rolle. Sie seien erste Anlaufstelle für die Beratung über Behandlungsmöglichkeiten innerhalb der jeweiligen Region. Denn oft, auch das geht aus dem Landesplan hervor, sind für den Bürger die Behandlungsmöglichkeiten nicht transparent.

Insgesamt sei jedoch vor allem im stationären Bereich die Versorgung psychisch kranker Menschen besser geworden. Die Bettenzahl für psychisch kranke Menschen sei in den letzten Jahren um rund 15 Prozent auf 6600 Betten gestiegen. Dort gebe es keine echten Versorgungslücken, jedoch seien die Ressourcen insgesamt uneinheitlich verteilt. Insbesondere im ländlichen Raum mangele es an Fachkliniken und Fachärzten. „Dort, wo die fachärztliche Versorgung ausgedünnt ist, müssen Modelle entwickelt werden, dem entgegenzuwirken“, sagte Prof. Rudolf Schmid von der Beratungsfirma Fogs/ceus consulting. Er hatte gemeinsam mit einer 33-köpfigen Fachkommission den Landespsychiatrieplan erstellt.

Des Weiteren wird im Psychiatrieplan ausgeführt, dass ein Demenzbeauftragter in Einrichtungen sinnvoll sei und demenzfreundliche Krankenhäuser gefördert werden sollten. Angesichts der wachsenden Zahl alter Menschen fehlten differenzierte Ansätze in der Gerontopsychiatrie. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie müsse unter anderem das schulische Angebot für stationär untergebrachte junge Patienten verbessert werden.

Einen weiteren Baustein im Bereich der gemeindenahen Versorgung bilden die Tageskliniken. Sie sind eine sinnvolle Ergänzung zu vollstationären Einrichtungen in den jeweiligen Regionen. Denn seelische Krankheiten sind weit verbreitet: Etwa ein Viertel der Bevölkerung leidet unter psychischen Erkrankungen. Hier müsse vor allem eine bessere Vernetzung mit den Hausärzten erfolgen, weil sie häufig, neben den Angehörigen, die erste Anlaufstelle seien, heißt es im Plan.
Noch in diesem Jahr sollen im Ministerium zwei Planstellen im Psychiatriereferat zur Verfügung gestellt werden, die die Umsetzung der Ziele im Blick haben. Maria Matzel, Psychiatrieerfahrene in Niedersachsen, merkte kritisch an, dass für die Psychiatrieerfahrenen in der 33-köpfigen Fachkommission nur eine Stimme vorgesehen war und beendete ihr Statement mit: „Ich wünsche mir den Aufbruchgeist der 70er und 80er-Jahre.“ Rosemarie Seelhorst, Arbeitsgemeinschaft der Angehörigen für Niedersachsen und Bremen, warnte davor, den Landespsychiatrieplan als eine Art Rezept zu sehen, das könne er nicht leisten. Vielmehr sei Engagement gefragt, und das sei nicht immer eine Frage des Geldes. Beispielsweise sei es wichtig, bei einer stationären Behandlung Kontakt zum niedergelassenen Arzt aufzunehmen, denn der Austausch zwischen stationären und ambulanten Behandlern existiere nicht. Wäre das der Fall, könne viel schneller die Ursache für die kritische Situation gefunden werden. „Man kann viele Kosten sparen, wenn es solche Gespräche gibt.“ Darüber hinaus bräuchten die Angehörigen dringend eine Hotline, bei der sie auch an Wochenenden und an Feiertagen in kritischen Situationen rund um die Uhr Hilfe erfahren. Es müsse nicht zwingend ein Facharzt zur Verfügung stehen, ein geschulter Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes komme auch infrage.

Hermann Elgeti, Geschäftsführer des Landesfachbeirats Psychiatrie Niedersachsen, wünscht sich für die Gemeindepsychiatrischen Zentren eine konkretere Skizzierung. Dort sollten nach Meinung des Geschäftsführers einheitliche Standards definiert werden. „Insgesamt aber“, räumt Elgeti ein, „ist der Landespsychiatrieplan ein großer Wurf.“ Die Bereitschaft des Landes, etwas zu machen, sei da.

Vom 3. bis zum 5. April wird es nächstes Jahr in Loccum eine Tagung geben, auf der die Ministerin und ihre Mitarbeiter präsentieren, was bisher umgesetzt wurde.