Martin Zinkler verlässt die
Psychiatrie in Bremen-Ost

Dr. Martin Zinkler geht: Der als Reformer von Heidenheim nach Bremen geholte Psychiatrie-Chefarzt soll schon am 23. Dezember das Haus verlassen. Von „tiefen Zerwürfnissen auf verschiedenen Ebenen“ ist die Rede. „Da ist viel Porzellan zerbrochen“, so Ulrich Wesseloh vom Arbeitskreis „Neue Psychiatrie im Bremer Westen” gegenüber dem EPPENDORFER. Zinkler war nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Seine Aufgaben übernimmt Dr. Martin Bührig, der künftig als alleiniger Chefarzt der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie fungiert.

Zinkler war 2021 nach Bremen gewechselt, um hier den „Transformationsprozess“ der stockenden Psychiatriereform voranzubringen. Im wesentlichen ging es dabei um Abbau von Betten zugunsten ambulanter Versorgungsstrukturen sowie die Reduktion von Zwangsmaßnahmen und die Einführung eines Regionalbudgets. Letzteres gelang auch Anfang 2024. Doch im Hintergrund brodelte es. Es scheint u.a. um unterschiedliche Ansichten zum Thema Zwangsmaßnahmen bzw. gewaltfreie Psychiatrie zu gehen. Offiziell heißt es: „Dr. Martin Zinkler verlässt die Gesundheit Nord im gegenseitigen Einvernehmen”, wie es in einer Pressemitteilung heißt.  

Dem Weser-Kurier sagte die Sprecherin der GeNo, Zinkler gehe “auf eigenen Wunsch, weil zwischen ihm und der Gesundheit Nord keine Einigung über die zukünftige Ausrichtung der Klinik gefunden werden konnte.” Wie die Zeitung zum Hintergrund weiter berichtete, habe der therapeutische Ansatz, Menschen nur noch in zwingenden Ausnahmefällen stationär mit freiheitsentziehendem Charakter aufzunehmen, Zinkler in Konflikt mit der Polizei gebracht. Es hätten sich Fälle gehäuft, „in denen Beamte psychisch stark gestörte, gewalttätige Personen in Bremen-Ost ablieferten, nur um ihnen wenig später bei einem weiteren Einsatz erneut zu begegnen. Die Psychiatrie hatte sie rasch wieder auf freien Fuß gesetzt.” Auch von gerichtlich eingesetzten Betreuern psychisch Kranker sei deutliche Kritik gekommen.

Zum Politikum sei auch die hohe Zahl sogenannter Entweichungen psychisch Kranker aus geschlossener Unterbringung geworden. „Zwischen September 2023 und Februar 2024 gab es 54 solcher Fälle. Darunter einen, der besonders tragisch endete. Im Dezember vergangenen Jahres stach eine 28-Jährige, die sich eigentlich in der geschlossenen Abteilung der KBO-Psychiatrie aufhalten sollte, den Lebensgefährten ihrer Mutter nieder”, berichtete das Blatt.

Bührig solle nun den Weg in Richtung Regionalisierung und Ambulantisierung der Psychiatrie fortführen, teilte die Pressestelle der GeNo mit. Beides war 2013 im Bürgerschaftsbeschluss als Ziel der Psychiatriereform formuliert worden. „Diesen Weg werden wir engagiert weiter gehen“, so Dr. Martin Bührig. Er hatte bereits im vorigen Jahr zusätzlich zur Psychiatrieleitung in Bremen-Nord auch die Leitung der Behandlungszentren West und Süd übernommen und war damit auch in die Leitung der Psychiatrie am Klinikum Bremen-Ost eingestiegen. „Wir freuen uns, dass Dr. Bührig nun bis zu seinem Ausscheiden in den Ruhestand die Gesamtleitung übernimmt“, sagt Dr. Dorothea Dreizehnter.  „Er wird mit seiner umfangreichen Erfahrung und seiner anerkannten fachlichen Kompetenz dafür sorgen, dass die Transformation der Psychiatrie im Sinne aller Betroffenen und Beteiligten weiter umgesetzt wird.”


Vor Bekanntwerden der Trennung hatte der Arbeitskreis „Neue Psychiatrie im Bremer Westen” am 13. Dezember in einem offenen Brief an die Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) schwere Vorwürfe gegenüber dem Bremer Klinikverbund geäußert. Die Geschäftsführung der GeNo scheine sich nicht in der Verantwortung zu sehen, heißt es in dem Brief, „den Transformationsprozess aktiv zu begleiten bzw. umzusetzen, sondern torpediert ihn vielmehr – insbesondere durch personalpolitische Entscheidungen.“ Dr. Martin Zinklers Expertise habe maßgeblich zur erfolgreichen Einführung der neuen Finanzierungsform als Modellprojekt beigetragen. Doch jetzt dürfe er „den begonnenen Transformationsprozess anscheinend nicht zu Ende bringen.“ Es entstehe der Eindruck, dass „ein , unbequemer’ leitender Mitarbeiter aus seinem Amt gedrängt“ werden solle. „Noch fataler ist, dass aus unserer Sicht die falsche Person gehen muss”, heißt es weiter. Eine Folge: Viele MitarbeiterInnen der GeNo und der anderen Beteiligten an dem Transformationsprozess seien motiviert, würden in ihrer Motivation aber ausgebremst – „schlimmer noch – sie verlassen den Bereich.“ (hin)

(Erstmeldung vom 18. Dezember wurde am 19. und zuletzt am 20.12. aktualisiert und um ein Statement der GeNo ergänzt)