Künstliche Befruchtung
und die Psyche

In welche Konflikte geraten Kinder, die durch fremden Samen gezeugt wurden? Diese und weitere Fragen diskutierten Psychoanalytikerinnen in Würzburg. Symbolfoto: pixabay

Künstliche Befruchtung oder Leihmutterschaft: Immer mehr Menschen nehmen die Reproduktionsmedizin in Anspruch – sei es, weil sie unfruchtbar sind, weil sie in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft leben oder weil sie keinen Partner haben und trotzdem ein Kind allein aufziehen möchten. Daraus folgen Fragen und Konflikte: „Bei der künstlichen Befruchtung entsteht ein Interessenkonflikt zwischen den Eltern und dem so gezeugten Kind“, so Ann Kathrin Scheerer, niedergelassene Psychoanalytikerin in Hamburg. „Während die Eltern die Art der Zeugung am liebsten verschweigen möchten, wollen die Kinder möglichst viel über ihre biologische Herkunft erfahren und haben ein Recht auf Aufklärung.“ 

Diese Auswirkungen der Reproduktionsmedizin diskutierten jetzt die Teilnehmer der 70. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) e.V. in Würzburg.  „Die Reproduktionsmedizin hat die Macht der Biologie lange unterschätzt“, sagt Referentin Scheerer, die zusammen mit einer Kollegin das kürzlich erschienene Buch „Auf neuen Wegen zum Kind“ herausgegeben hat. „Wir wissen aber aus den Erfahrungen mit Adoptionen, dass Kinder den starken Wunsch verspüren zu wissen: Von wem stamme ich ab?“ 

Aus Gesprächen mit „Spenderkindern“ – also Kindern, die mit Hilfe einer Samenspende zur Welt gekommen sind – wisse sie, dass die Kinder häufig spürten, dass es ein Geheimnis gibt. „Automatisch machen sie sich auf die Suche nach Ähnlichkeiten mit ihren Eltern, die sie möglicherweise dann vermissen. Haben sie herausgefunden, dass sie ein ,Spenderkind’ sind, kollidiert ihr Interesse, den biologischen Vater kennenzulernen, mit dem Wunsch, den sozialen Vater nicht zu kränken“, so die DGPT in ihrer Pressemeldung.

 „Der unbekannte Dritte verwirrt möglicherweise ihr Selbstbild“, die Identitätsfindung sei erschwert.  „Diese Konflikte werden auch nicht mit dem Argument aufgelöst, dass sie doch – im Gegensatz zu vielen natürlich gezeugten Kindern – Wunschkinder seien“, so Scheerer. „Vielmehr betrachten sie sich als Ersatzkind für das Kind, das die Eltern auf natürlichem Weg nicht zeugen konnten.“ Sie fordert, dass Paare sich mit all diesen Fragen mehr auseinandersetzen, bevor sie das Abenteuer einer künstlichen Befruchtung eingehen. „Schließlich sollten es die sozialen Eltern schaffen, den oder auch die Dritte mit ins Familienboot zu holen.“ (idw/rd)