„Fitnessstudio
für die Psyche”

Janna-Lisa Rohloff gründete das „Fitnessstudio für die Seele“. Foto: „Brynja“

In einer Bremer Werkstatt entsteht gerade „Brynja“, ein neues Zentrum für psychische Gesundheit, das selbstbestimmt und niedrigschwellig Hilfe zur Selbsthilfe anbietet.  

 Es hat noch gar nicht offiziell eröffnet, das erste „Fitnessstudio für die Psyche“ in Bremen – aber die Nachfrage ist schon groß. Und es gibt auch bereits allerlei Angebote: einen Workshop für „Faires Raufen“, einen für „Therapeutisches Boxen“ oder einen Kurs unter dem Titel „Angst und wie Du sie nutzen kannst“, aber auch einen „Achtsamkeitsspaziergang“ oder einen Abend unter dem Titel „Finde deinen Fokus!“  

„Brynja“ heißt dieser Ort, das ist isländisch und steht für „Schutz und Rüstung“. Angesiedelt ist er in einer ehemaligen Autosattlerei in zentraler, mit Bus und Bahn gut erreichbarer und doch ruhiger Hinterhof-Lage in der Bremer Neustadt. Die ehemalige Werkstatt wird gerade noch umgebaut, es soll nicht zu pastellig sein, aber nicht auch klinisch rein. Ein niedrigschwelliges Zentrum für psychische Gesundheit soll es werden, aber auch ein Kulturzentrum, eine Schnittstelle zwischen Freizeitgestaltung, klinischen Einrichtungen und therapeutischen Angeboten, ein öffentlicher, aber zugleich geschützter Raum für alle, die sich auf eher unkomplizierte Art mit psychischer Gesundheit beschäftigen möchten. 

Gedacht für „Erwachsene mittleren Alters”

Dabei will „Brynja“ insbesondere – aber nicht nur! – Jüngere sowie Erwachsene mittleren Alters ansprechen. Also jene, die nicht mehr in Jugendzentren, aber auch nicht in Selbsthilfegruppen gehen, doch in einem Alter sind, in dem viele Krisen entstehen. „Unser Ansatz ist präventiv“, sagt Gründerin Janna-Lisa Rohloff. „Wir sind keine therapeutische Einrichtung, obwohl wir therapeutische Arbeit machen.“ Hier gibt es keine medizinischen Diagnosen, keine Medikation und keine Therapiepläne, aber eben auch keine Wartezeiten. Hier wird nicht zwischen „krank“ und „normal“ unterschieden – alle sollen eigenverantwortlich herausfinden, was ihnen persönlich gerade gut tut, ohne dass ihnen deswegen gleich ein Stempel aufgedrückt wird. Alle Angebote sind solche für und in Gruppen, damit eine „Verbundenheit zu anderen Menschen“ entsteht, wie Rohloff sagt. Und auch wenn es einen „Mütterkreis“ gibt und einen Kurs „Empowerment für werdende Mütter“ will sie auch und gerade Männer ansprechen – denn es gebe viel zu wenig Angebote für sie.  

„Sind wir nicht alle ein bisschen Psycho?”

Die 36-jährige Ergotherapeutin und Erzieherin hätte „Brynja“ selbst gebraucht, ehe sie Gründerin wurde: „In einer Zeit, in der ich selbst in einer Krise war und nach Hilfsangeboten gesucht habe, weil meine Mutter plötzlich gestorben war, habe ich gemerkt, dass es total schwierig ist, das Passende für sich selbst zu finden“. Inzwischen gibt es einen gemeinnützigen Verein mit zwölf Mitgliedern und noch ein paar Ehrenamtlichen drumherum. Für Rohloff ist das Projekt gerade ein Full-Time-Job, anders ginge es gar nicht, sagt sie. Es gibt bisher keine Flyer, dafür schon einen Kanal bei Instagram mit über 1400 Followern. Und die Website empfängt einen mit dem Spruch: „Sind wir nicht alle ein bisschen Psycho?“ Janna-Lisa Rohloff möchte das Reden über psychische Gesundheit in der Gesellschaft enttabuisieren: „Zwischen einem hohen Leistungsanspruch, vollen Terminkalendern, Care-Arbeit und gesellschaftlicher Veränderung passiert in unserem Leben ganz schön viel. Wer würde da behaupten, sich diesen Herausforderungen immer gewachsen zu fühlen?“ 

2020: 9400 Bremer in psychiatrischen Kliniken behandelt

Im Land Bremen wurden laut des Bremer Krankenhausspiegels 2020 rund 9000 Erwachsene wegen psychischer Erkrankungen und Störungen in spezialisierten Kliniken behandelt, dazu kommen noch einmal 400 Kinder und Jugendliche, die stationär behandelt werden mussten. Während der Pandemie stieg die Belastung und auch die Zahl der Ausfalltage wegen psychischer Erkrankungen bei den Beschäftigten. Die Krankenkasse DAK etwa meldete für Bremen einen Anstieg von elf Prozent im Jahr 2021, verglichen mit dem Stand vor zehn Jahren – die meisten Fehltage wurden 2021 durch Depressionen verursacht, den deutlichsten Anstieg gab es bei den Angststörungen.

Als Sozialunternehmen finanziert sich „Brynja“ derzeit über Spenden und Fördergelder, allein die monatlich anfallende Miete liegt bei 2000 Euro, und Geld von der rot-grün-roten Landesregierung gibt es bisher noch keines. Für die Anschubfinanzierung gab es ein Crowdfunding, bei dem 2022 rund 16.000 Euro zusammenkamen. Zugleich soll die Nutzung von „Brynja“ nicht am Geld scheitern. „Wir sind überzeugt davon, dass mentale Gesundheit nicht nur für diejenigen möglich sein sollte, die es sich leisten können“, sagt Rohloff. Jan Zier

(Originalveröffentlichung im EPPENDOFER 2/23)

Mehr unter https://brynja-raum.de/