Die Hamburger PST bietet eine „Besondere Wohnform“ für psychisch erkrankte LGBTIQ-Menschen an. Die PST selbst ist umgezogen und wartet mit weiteren Neuerungen auf.
Von der Telemannstraße in die Kieler Straße: Im vergangenen Februar ist die Psychoso-
ziale Betreuung Hamburg (PST) in einen Büro- und Gewerbekomplex umgezogen. Der leicht muffige, dafür wohlige Altbaucharme ist damit einem steril-funktionalen Großraummodernismus im Open-Space-Stil gewichen. Nicht die einzige Änderung in der PST. Auch Produktpalette, Betreuungsstruktur und Organisation sind betroffen. Die nach außen plakativste Neuheit: Zum PST-Portfolio gehört seit Kurzem eine Wohngemeinschaft für LSBTIQ’ler – in dieser Form das nach eigenen Angaben erste und bislang einzige Angebot bundesweit. Entsprechend groß ist das Echo in der Queer-Community, Anfragen hierzu kommen nach PST-Angaben aus dem gesamten Bundesgebiet. Für diese Wohnform bietet die PST neun Plätze in drei Wohnungen – zwei im Stadtteil Eimsbüttel, eine in Altona – an. Zu den Besonderheiten zählt unter anderem die Peer-to-Peer-Betreuung im Rahmen der qualifizierten Assistenz.
Von der WG zur „Besonderen Wohnform”
Anders als früher laufen diese und weitere Wohngemeinschaften nicht mehr unter dem Etikett Wohngemeinschaft, sondern firmieren jetzt als „Besondere Wohnformen“. Derer unterhält die PST neben den Queeren vier weitere: Sie richten sich an Menschen mit Doppeldiagnose und psychischer Erkrankung, an Menschen mit komplexen Hilfebedarfen, an Klienten aus dem Bereich forensischer Nachsorge, an Menschen, die auf dem Weg in den Arbeitsmarkt sind („Adaption und Beschäftigung“). Insgesamt hält die PST damit 46 Plätze bereit.
„Besondere Wohnform“? Das neue Wording zählt zu den Folgen des Bundesteilhabegesetzes und löst die Begrifflichkeit der (teil-) stationären WGs ab. An der Wohneinrichtung selbst ändert das jedoch nichts. Neben den „Besonderen Wohnformen“ bietet die PST im Rahmen der Assistenz in der Sozialpsychiatrie (ASP) Betreuung im eigenen Wohnraum an. Daneben gibt es als niedrigschwelliges, auch für die Allgemeinheit zugängliches Angebot eine Begegnungsstätte in der Eimsbütteler Goebenstraße.
Zu den Neuerungen in der Organisationsstruktur zählt die Ablösung der drei Betreuungsteams durch sieben Fachzirkel, die sich um die PST-Angebote kümmern. Das Spektrum der einzelnen Fachzirkel ist weiter gefächert, was ein übergreifendes und multiprofessionelles Arbeiten ermöglichen und den jeweiligen Blickwinkel erweitern soll.
Die „Besonderen Wohnformen“ stellen keine Klientenbeheimatung auf ewig dar. Die individuelle Wohndauer beschränkt sich auf zwei bis fünf Jahre – nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe soll hier der Weg in ein selbstbestimmtes Leben freigemacht werden. Wer hier wohnt, hat am obligatorischen sozialtherapeutischen Gruppenprogramm in der Kieler Straße teilzunehmen.
Zu den Besonderheiten der „Besonderen Wohnformen“ der PST zählt die unbürokratische Aufnahme: Die Prozedur beschränke sich in der Regel auf ein einziges Infogespräch, so PST-Sprecher Herbert Villhauer.
Wirtschaftliches Fundament der PST mit ihren insgesamt 34 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist eine Leistungsvereinbarung mit der Stadt Hamburg, die „Besonderen Wohnformen“ sind Bestandteil dieser Vereinbarung. Die Assistenzleistungen trägt das Amt für Eingliederungshilfe, Mieten einschließlich Nebenkosten tragen Jobcenter und Grundsicherungsämter. Betreuungsleistung und Miete sind also nicht mehr miteinander gekoppelt. Da die Details des Bundesteilhabegesetzes noch nicht in allen Amtsstuben bekannt seien, komme es nach PST-Angaben mitunter zu unnötigen Zuständigkeitsproblemen. Die PST selbst gibt sich einschlägig firm, auch dank einer weiteren Neuerung: Ein hauseigenes Teilhabegremium hat nun ein Auge auf die interne Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes.
Michael Göttsche (Originalveröffentlichung im EPPENDORFER 4/24)