Depressionen sind weit verbreitet, das richtige Medikament ist oft nicht leicht und mitunter gar nicht zu finden. Wird künftig ein standardmäßiger Einsatz von Elektroenzephalografie (EEG) zeigen, auf welche Behandlung der Patient besser anschlägt und somit die Suche nach einem geeigneten Antidepressivum verkürzen, wie es eine Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) hoffen lässt? Der Psychologe und Wissenschaftsblogger Stephan Schleim sieht die Sachlage anders – und interessegeleitet.
„Depression: EEG liefert Hinweise, ob Medikamente richtig anschlagen“ war die über den Informationsdienst Wissenschaft (Idw) verbreitete Meldung betitelt. Diese bezog sich auf eine aktuelle amerikanische Studie. 296 Patienten aus vier US-Kliniken, die an einer schweren Depression litten, hatten entweder ein Antidepressivum in Form eines Serotonin-Wiederaufnahmehemmers (SSRI) oder ein Placebo erhalten. Zu Beginn und eine Woche später wurden EEG’s gemacht. Ergebnis: Wurde im so genannten rostralen Abschnitt des anterioren Gyrus cinguli – einem Hirnareal, das mit schweren Depressionen in Verbindung gebracht wird – eine höhere Aktivität in Form von Thetawellen gemessen, sprachen die Patienten besser auf die Behandlung an.
Einmal mehr werde der Öffentlichkeit in Sachen psychische Störungen ein Bär aufgebunden, kritisiert diese Darstellung der promovierte Kognitionswissenschaftler Stephan Schleim in seinem beim Spektrum-Verlag erscheinenden Blog Menschenbilder. Er meint, der Titel der Pressemitteilung würde korrekter wie folgt lauten: „Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften schreibt für die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung eine Pressemitteilung über eine Studie amerikanischer Autoren mit einer schwindelerregend langen Liste finanzieller Verstrickungen mit der pharmazeutischen Industrie, gespickt mit Faktenfehlern und ethisch zumindest fragwürdigen Auslassungen, die einen eher moderaten Zusammenhang zwischen Gehirnaktivität und depressiven Symptomen nahelegt, der nicht wirklich spezifisch für Antidepressiva ist und auch nur in einer Personengruppe gefunden wurde, die echten Patienten allenfalls entfernt ähnelt.“ (rd/hin)
Schleims vollständigen Ausführungen dazu: https://scilogs.spektrum.de/menschen-bilder/
Quelle der US-Studie: Pizzagalli D, Webb C, Dillon D et al. Pretreatment Rostral Anterior Cingulate Cortex Theta Activity in Relation to Symptom Improvement in Depression A Randomized Clinical Trial JAMA Psychiatry. Published online April 11, 2018.doi:10.1001/jamapsychiatry.2018.0252