Do it yourself:
Begegnung auf dem Bau

Das Team, das das Begegnungshaus baut. Foto: fördern und wohnen / Martin Lukas Kim

Im Rahmen eines bundesweiten Pilotprojekts bauen in Poppenbüttel Mieterinnen und Mieter, die aufgrund psychischer Erkrankungen von fördern & wohnen ambulant betreut werden, Geflüchtete und Ehrenamtliche gemeinsam ein Begegnungshaus aus. Austausch und Begegnung gibt es schon in der Bauphase. 

Morgens schließt Till Weber mit Zigarette im Mundwinkel das Baustellentor des Begegnungshauses auf. Er wohnt in der Ohlendiekshöhe und ist fast immer der Erste hier. Dann schlüpft er in den Malerschutzanzug und setzt Kaffee auf. Für die anderen, die gleich eintrudeln. Sie kommen mit dem Rad und zu Fuß von nebenan.

Das Haus ist noch eine Baustelle, zwei handbeschriftete Holzschilder verraten die Adresse. Es liegt nordöstlich des Quartiers Ohlendiekshöhe von fördern und wohnen (f & w). Drumherum: Grün und Stille. Der kleine Kreisverkehr ist ruhig. Manche Balkone schmücken kleine, bunte Blumentöpfe, über einem Geländer trocknet ein Tuch. Auf den Terrassen im hinteren Bereich stehen trendige Rattan-Möbel, auf anderen sieht man selbstgebaute Pflanzkörbe.

Seit August läuft im Begegnungshaus der Innenausbau. Im Haus streichen, sägen und schleifen alteingesessene und neue Nachbarn. Fast 20 Freiwillige sind insgesamt dabei, vormittags und nachmittags engagieren sie sich in Schichten. Hier entsteht ein Haus für alle – mit Café, einer Werkstatt und Raum für vielfältige Aktivitäten. Heute tragen sie die Gerüst-Teile hinein, rollen Schubkarren mit Material vom Baustellen-Container rüber und bauen zügig das Gerüst inmitten des Raums auf. Jan Lohbek steht auf dem Roll-Gerüst und weißt die Decke. Der Tischlerhelfer wohnt im Quartier. f & w unterstützt ihn ambulant. Von der praktischen Tätigkeit erhofft er sich auch, wieder in den Beruf einzusteigen. Und er mag seinen Job und das Miteinander hier.

„Das ist für alle Beteiligten neu: so ein Haus im Selbstausbau ist ein Pilotprojekt“, erklärt der Zimmer-Meister und angehende Architekt Milan Pribnow. Er koordiniert und leitet die Arbeiten an. Ausgebildet hat er schon und bringt Erfahrung von Baustellen mit, wo man über Sprachhürden hinweg zusammenarbeitet. Im Begegnungshaus ist er derjenige, ohne den nichts läuft. 2 Tage die Woche ist er da, 3 Tage einer seiner Zimmerer-Kollegen, um das freiwillige Team zu unterstützten.

In dem engagierten Do-it-yourself-Team sind manche Jobs, wie das Auf- und Abschließen, schon fest vergeben. Die meisten Aufgaben werden spontan verteilt. „Wer will hoch und die Decke streichen?“ „Wer übernimmt die restlichen Arbeiten im Bad?“ „Wo sind eigentlich die anderen Abstreicher?“ – „Ich geh welche holen“, sagt Katinka ter Heide und verschwindet. In ein paar Minuten ist sie wieder da. Die Grafik-Designerin lebt seit 20 Jahren in Poppenbüttel und hat die Aufregung um den Bau der Wohnhäuser, zu deren Bewohnerinnen und Bewohnern auch 500 Geflüchtete gehören, miterlebt. Sie sagt: „Ich mache hier vor allem mit, damit ich die Chance habe, Leute aus dem neuen Quartier kennenzulernen.“

Die Freiwillige steht in der künftigen Werkstatt. Hier sollen die Wände aus OSB-Platten sichtbar bleiben und nur die Decke blau gestrichen werden. „Milan, ist 5015 die richtige Farbe?“ – „Ja.“ Dann rauscht die Kreissäge auf. Die Freiwilligen von Poppenbüttel hilft haben begonnen, Holz zuzuschneiden. Ihre Devise: Nicht lang schnacken, anpacken. Osama al Krad hat sich längst einen Farbroller geschnappt und mit dem blauen Anstrich in einem Flur begonnen. Der Geflüchtete macht hier Praktikum und gehört zu den Stillen im Team. Er lebt in der Flüchtlingsunterkunft Ohlendiekshöhe. Für seine Familie sucht er gerade nach einer Wohnung in der Umgebung. Das ist die einzige Sorge, die ihm ins Gesicht geschrieben steht.

Das Begegnungshaus war die Idee des Initiative Poppenbüttel hilft. Die künftigen Nutzerinnen und Nutzer haben die Gestalt des Hauses selbst entwickelt. Unter Leitung des Poppenbüttel hilft e. V. und der HafenCity Universität (HCU) fanden sie in der Summer School 2016 heraus, welche Räume das Begegnungshaus braucht und bauten einen Prototypen. Geflüchtete, Nachbarinnen und Nachbarn, HCU-Studierende und -Lehrende kamen auf dem damaligen Baustellengrundstück zusammen. In der zweiten Summer School 2017 veranstalteten sie einen Architekturwettbewerb – daraus ging ein Entwurf als Sieger hervor, der mehrere „Wohnzimmer“ rund um ein „Forum“ vorsieht. Eine modulare Ausstattung macht es möglich, die Räume vielfältig zu nutzen. (rd/Quelle: fördern und wohnen)

Weitere Informationen bei fördern & wohnen.