Die Taktiken der Rechtspopulisten

Was bringt Menschen dazu, die AfD zu wählen? Welche Emotionen spricht die Partei an? Diesen und vielen weiteren Fragen sind Eva Walther und Simon Isemann in ihrem neuen Buch „Die AfD – psychologisch betrachtet“ nachgegangen. Einige Antworten geben die Sozialpsychologen in diesem Gespräch.

Eine Ihrer Thesen lautet, dass die AfD real den Interessen ihrer Wähler widerspricht. Inwiefern?

Walther: Da gibt es viele Punkte –– hier nur ein Beispiel: Ein Teil der AfD-Wählerschaft kommt aus ökonomisch prekären Verhältnissen. Im AfD-Wahlprogramm ist aber kaum Verbesserung für ärmere Schichten in Sicht. Im Gegenteil. Mit der AfD geht die Schere zwischen arm und reich weiter auseinander. So soll die Erbschaftssteuer abgeschafft werden. Die Vermögenssteuer ist ein rotes Tuch für die AfD. Zwar verspricht die AfD in öffentlichen Reden manchmal bessere Sozialleistung – wohlgemerkt nur für Passdeutsche – aber wie und wann dies umgesetzt werden soll, bleibt unklar.

Prof. Dr. Eva Walther und Simon Isemann setzen sich mit der AfD aus der psychologischen Perspektive auseinander. Foto: Universität Trier

Isemann: Diese Mehrdeutigkeit ist gewollt und hängt damit zusammen, dass die AfD-Wählerschaft keine homogene Gruppe darstellt. Die AfD möchte für Hartz-IV-Empfänger genauso wie für die sogenannte Wirtschaftselite attraktiv sein. So wendet sich die ehemalige Goldman-Sachs-Mitarbeiterin Alice Weidel an ein anderes Publikum als beispielsweise Björn Höcke auf einer PEGIDA-Kundgebung in Dresden. Die Tatsache, dass sich die Partei in vielen Bereichen noch nicht klar positioniert hat, ist strategisch und kein Missgeschick.

Setzt die AfD psychologische Faktoren bewusster und effektiver ein als andere Parteien?

Walther: Die AfD ist eine hochprofessionelle und strategisch handelnde Partei, die gezielt auf starke Emotionen setzt. Zum Beispiel wird Hass gegenüber Geflüchteten aber auch politischen Gegnern geschürt. Dieser Hass liefert dann nicht nur die motivationale Basis für extremistische Handlungen, sondern rechtfertig diese auch noch nach dem Motto, wenn ich diese Gruppe hasse, dann deswegen, weil sie hassenswert sind und ich deswegen gegen sie vorgehen muss.

Isemann: An Stelle von „effektiver“ würde ich „skrupelloser“ sagen. Populismus hat – psychologisch betrachtet – leider sehr oft Verarbeitungsvorteile vor einer mühsamen, argumentationsbasierten Sachpolitik. Es wird gezielt Hass und Angst geschürt um dann entsprechende Sündenböcke zu identifizieren. In diesem Sinne setzt die AfD insbesondere Sprache bewusst und gezielt ein, wie entsprechende Studien belegen können.

Walther: Das ist richtig. Zum Beispiel versucht die AfD Heldenmythen zu erzeugen, die insbesondere männliche Wähler ansprechen. Rassisten werden zu Rettern der deutschen Nation verklärt.

Sie gehen davon aus, dass ökonomische und soziale Bedrohungen rechten Parteien in die Hände spielen. Ist die Bedrohungslage in unserem Land angesichts einer guten wirtschaftlichen Situation und einer statistisch gesehen stabilen Sicherheitslage überhaupt real?

Walther: Zum einen kommt die gute wirtschaftliche Situation bei vielen Mensen nicht an. Jedes fünfte Kind in Deutschland ist arm. Zum anderen vergleichen Menschen ihre Situation immer mit anderen, und auf dieser Basis kann das subjektive Gefühl von Benachteiligung entstehen. Die AfD schürt den Eindruck, dass es anderen besserginge, oder dass es den Menschen zukünftig schlechter gehen könnte als in der Gegenwart.

Mit welchen psychologischen Kniffen gelingt es der AfD, diese gefühlten Bedrohungslagen aufzubauen?

Walther:  Die AfD benutzt gezielt politisches Framing. Beispielsweise suggeriert der häufig verwendete Begriff der „Flüchtlingswelle“, es handele sich bei Migrationsbewegungen um ein erschlagendes und überwältigendes Ereignis, dem man mit aller Macht Einhalt gebieten müsse, um nicht unterzugehen. Der Begriff „Kriegsflüchtlinge“ hingegen würde andere Emotionen auslösen.

Verteufeln oder vermitteln? Im Umgang mit der AfD plädieren einige politische Vertreter wie jüngst Alt-Bundespräsident Joachim Gauck für Toleranz und Diskussionsbereitschaft. Andere präferieren eine Art Kontaktsperre. Wofür sind Sie?

Walther: Weder noch. Mit den Anhängern der AfD sollte jederzeit das Gespräch gesucht werden, auch um Selbstviktimisierungen, d.h., sich als Opfer zu inszenieren, zu vermeiden. Ich halte allerdings Diskussionsrunden mit Parteienvertretern der AfD für nicht ratsam, da deren Kommunikationshandlung in der Regel nicht auf Argumenten beruht, sondern auf der taktischen Ausweitung gesellschaftlicher Normen und auf der Auslösung negativer Emotionen. Die AfD versucht so, rechtsradikale Denkmuster salonfähig zu machen. Auf dieser Ebene kann man mit Argumenten nichts erreichen.

Die AfD bietet Ihrer Meinung nach für grundlegende menschliche Bedürfnisse wie Versorgung, Anerkennung und Vertrauen nur vermeintliche Lösungen an. Wäre es für die etablierten Parteien nicht ein Leichtes, das offen zu legen?

Walther: Nein, das ist nicht leicht, weil die AfD eine Ein-Punkt-Partei ­­– Thema Migration – ist, die auf viele komplexe Fragen unterkomplexe Antworten liefert wie: Abschotten, Ausgrenzen, Abschieben. Einfache Antworten suggerieren Sicherheit und Kontrolle, was von manchen Wählerinnen und Wählern als angenehm empfunden wird. Die anderen Parteien müssten sich auf diese simplifizierende, wenig seriöse Ebene begeben, was sie bisher selten tun.

Isemann: Man könnte es auch als Fast-Food-Politik beschreiben: Psychologisch stillt man – kurzzeitig und inhaltsleer – Bedürfnisse, z.B. nach Sicherheit: Wenn die Migranten draußen bleiben, ist alles in Ordnung. Zu Verbesserungen der Situation führt dies aber nicht. Im Gegenteil, Populismus führt auf Dauer zu schwerwiegenden Nebenwirkungen. Es lohnt sich aber ein Blick auf die psychologischen Grundbedürfnisse der Menschen. In dem Maße wie es die Realpolitik schafft, diese Bedürfnisse aufzugreifen, schwindet auch die Anziehungskraft populistischer Parteien.

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass es ein „weiter so“ nicht geben kann und Maßnahmen zur Rettung der Demokratie ergriffen werden müssten. Sehen Sie unsere Grundordnung existenziell gefährdet?

Walther: In Deutschland existiert bisher keine illiberale Demokratie wie in Ungarn oder der Türkei, wo zwar Wahlen stattfinden, der Rechtsstaat aber missbraucht wird, um eigene Macht auszubauen und Grundrechte außer Kraft zu setzen. Die Demokratie ist aber auch dann in Gefahr, wenn ganz grundsätzlich Vertrauen in die Politik verloren geht. Oder politische Gegner de-legitimiert werden.  Die höhnischen Kommentare der AfD zu dem Mord an CDU-Politiker Lübcke sind dafür nur ein Beispiel. So wird die Polarisierung der Gesellschaft vorangetrieben. Das gefährdet letztlich auch die Demokratie. Parlamentarisch verletzt die AfD zudem unausgesetzt implizite Regeln der Zusammenarbeit und versucht damit das demokratische Miteinander zu unterminieren.

Mal den Blick über die AfD hinausgerichtet: Erleben wir gerade Zeiten, in denen die Politik generell stärker von psychologischen Faktoren als von Sachthemen und politischem Handeln geprägt wird?

Walther: Politik wirkt immer durch psychologische Faktoren. Allerdings erleben wir gerade ein großes Ausmaß subjektiv erlebter Unsicherheit, die von rechten Akteuren gezielt befeuert wird, etwa durch die De-Legitimation der Wissenschaft, der Politik und der Medien. Verstärkt wird die Unsicherheit dann noch durch die Aufweichung der Wirklichkeitsgrenzen durch Fake-News und alternative Fakten.

Isemann: Diese Strategie rechter Populisten, seriöse Medien und die Wissenschaft zu diskreditieren, erzeugt Informationslücken, die sodann von eigenen Medien gefüllt werden können. Auf der anderen Seite ist die AfD selbst für viele Menschen beunruhigend. Wir zeigen in unserem Buch auf, was jeder Mensch dagegen tun kann.

 

(Quelle: Pressestelle/Universität Trier)