Die produktiven
Kräfte der Schuld

Wissenschaftler in Bielefeld erforschen die positiven Aspekte von Guilt/ Schuld.

Schuld ist ein quälendes Gefühl. Schuld zuzuweisen, kann Menschen, Gruppen und ganze Gesellschaften unter Druck setzen. Aber Schulddynamiken können auch Prozesse der Versöhnung oder des Neubeginns anstoßen. Eine neue Forschungsgruppe am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld sucht jetzt nach den positiven Seiten  – den produktiven Kräften der Schuld.

„Wir verstehen ‚Produktivität‘ nicht primär im ökonomischen Sinne, der Begriff verweist vielmehr darauf, was aus Schuld alles entstehen kann“, erklärt der Literaturwissenschaftler Dr. Matthias Buschmeier von der Universität Bielefeld. Er und die Religionswissenschaftlerin Professorin Dr. Katharina von Kellenbach (St. Mary’s College of Maryland, USA) haben sich zum Ziel gesetzt, die Rolle von Schuld „bei der Entwicklung und Transformation von Kulturen und der Ausbildung sozio-kultureller Bindungskräfte zu untersuchen“, teilte die Uni Bielefeld mit. Dazu haben sie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ans ZiF geholt, die kulturell und disziplinär unterschiedliche Schuldkonzepte erforschen. Dahinter stehen Disziplinen wie: Traumapsychologie,   postkoloniale Sozialtheorie und Anthropologie,  Kulturtheorie,  narrative Symbolik und  Sprachphilosophie, Literaturwissenschaft, Theologie, Rechtstheorie und  praktische Philosophie.

Zudem gehe es darum, die westlichen Schuldtraditionen, die sich aus und im Judentum und Christum entwickelten, mit Traditionen anderer Religionen (Islam/Hinduismus/indigene Religionen) sowie mit dem Umgang in nicht-europäischen Szenarien (Indonesien/ Indien/Mozambique) zu vergleichen: Gibt es universelle Aspekte von Schuld? Und wie verhält sich Schuld als (individuelles) Gefühl zu (kollektiven) sozialen und rechtlichen Praktiken von Schuld? In welcher Beziehung steht Schuld zu Scham, Reue, Bedauern, Verzeihen, Reinheit und anderen verwandten Phänomenen? „Damit hoffen wir einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Erforschung des Phänomens Schuld einzuleiten“, so Matthias Buschmeier.

Die Lichtkünstlerin und Professorin an der University of California, Santa Barbara, Jane Mulfinger, entwickelt Skulpturen, Fotografie, Lichtinstallationen und Performances. Ihre Installation „Spectral Latencies – Schuld im Überblick“ ist noch bis 8. November 2018 im ZiF zu sehen. Sie integriert neben Bildern auch Aussagen von Bielefeldern zum Thema Schuld in verfremdeter und anonymisierter Form. Sich Schuld einzugestehen und allererst auszusprechen sei oft schwierig, doch erst dadurch werde Verständigung wieder möglich, so Mulfinger. Die Künstlerin findet in der Flüchtigkeit des Lichts einen Ausdruck für diesen Prozess: „Wie der Mensch nur Teile des Lichtspektrums sehen kann, sind unsere tiefsten Gedanken verborgen, solange sie nicht geteilt werden.“

Ort: Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF), Methoden 1, 33615 Bielefeld, Weitere Informationen: http://wwwfo.uni-bielefeld.de