Nach dem G-BA-Schock:
Wie reagiert Jens Spahn?

Was macht Spahn? Diese Frage steht groß im Raum, nachdem die vom  Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) Ende vergangenen Woche beschlossenen künftigen „personellen Mindestvorgaben” für Psychiatrien auf massive Kritik  gestoßen sind. Die aktuell verabschiedete Richtlinie lege die bislang geltende Personalverordnung – statt sie qualitativ und signifikant zu erhöhen – als Personaluntergrenze fest, so die DGPPN*.  Die Folge sei, dass Krankenhäuser noch weniger Personal als bisher von den Krankenkassen finanziert bekommen würden. Wenn der Bundesgesundheitsminister kein Veto einlegt, tritt die Richtlinie, die die 30 Jahre alte Psychiatrie-Personalverordnung (PsychPV) ablösen soll, zum 1. Januar 2020 in Kraft.  

Der Beschluss werfe die Versorgung in diesem Bereich um 40 Jahre zurück und bedeute mehr Personal für Dokumentation und Bürokratie, weniger Personal für die psychisch kranken Menschen, so die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). Die DKG hatte gegen den Beschluss gestimmt und wirft den Krankenkassen „Kontrollwut” vor, die dazu führen werde, „dass moderne Versorgungsangebote unmöglich gemacht werden und die Psychiatrie der achtziger Jahre wieder aufersteht“. Im Zentrum der Kritik:  „kleinteilige” stationsbezogene Nachweisverfahren. Nahezu alle Fach-Stellungnahme hätten sich dagegen ausgesprochen und für einrichtungsbezogene Verfahren ausgesprochen, die nötig seien, um Reformmodelle umzusetzen. Den Kassen gehe es nur darum, Kontrolle auszuüben und Versorgung einzuschränken. 

Die DGPPN sprach von einem „Affront für alle Betroffenen, Angehörigen und in der Psychiatrie Beschäftigten“. Die dringend benötigte Neuregelung der Personalbemessung sei „auf ganzer Linie gescheitert“.  Es drohe nun Personalabbau. Die DGPPN sieht jetzt den Gesetzgeber in der Pflicht. Dieser müsse dem G-BA klare Vorgaben zur Neuausrichtung machen und Sofortmaßnahmen  beschließen, die „eine leitliniengerechte, humane Psychiatrie gewährleisten”. „Wir können nicht begreifen, wie in Zeiten, in denen Patientensicherheit großgeschrieben wird, so wenig Mut und Entschlossenheit für mehr Personal in der Patientenversorgung aufgebracht wird“, kommentiert DGPPN-Präsident Prof. Andreas Heinz das vorliegende Ergebnis. „Nach so vielen Jahren und unzähligen Beratungen ist das ein Armutszeugnis für unser Gesundheitswesen. Allen Verantwortlichen muss klar sein, dass eine Rückkehr zur Verwahrpsychiatrie droht.“

Der G-BA selbst stellte den Beschluss in seiner Pressemitteilung erwartungsgemäß positiver dar. Den Besonderheiten psychosomatischer Behandlungen werde stärker Rechnung getragen als bisher, die Bedeutung von Genesungsbegleitern hervorgehoben. Bei „ungewöhnlich hohen Patientenzahlen oder Personalausfällen” könne von den Vorgaben abgewichen werden. In der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen, bei der pflegerischen Betreuung in der Intensivbehandlung psychisch erkrankter Erwachsener und bei der psychologischen Behandlung würden Verbesserungen erreicht, weil hier die Minutenwerte deutlich erhöht worden seien.

Am Montag kritisierte der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Prof. Josef Hecken, die Wortwahl und Vorwürfe der DKG. Es sei nicht einfach die alte Psychiatrie-Personalverordnung fortgeschrieben worden, die ein Personalbemessungsinstrument sei und keine Mindestvorgaben enthalten habe. Der beklagte Stationsbezug diene dazu, einer personellen Unterversorgung besonders sensibler Versorgungsbereiche wie z.B. die Gerontopsychiatrie oder Intensivversorgungsbereiche entgegenzuwirken, was in der Vergangenheit häufig der Fall gewesen sei. Die Dokumentationsvorgaben hätten nichts mit „Kontrollwut“ oder der Verhinderung von modernen Versorgungsangeboten zu tun, sondern seien „schlicht und ergreifend dem Patientenschutz geschuldet”.  (rd)

Hintergrund

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG) ist der G-BA vor drei Jahren beauftragt worden, eine angemessene Mindestpersonalausstattung in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken festzulegen. Damit sollten Missstände, die eine leitliniengerechte Versorgung erschweren, behoben und ethische, rechtliche und medizinische Qualitätsstandards in der Patientenversorgung sichergestellt werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das höchste Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen Deutschlands. Er hat 13 stimmberechtigte Mitglieder: Fünf vertreten die Krankenkassen, fünf die Leistungserbringer von Kliniken und Ärzteschaft, drei Mitglieder sind unparteiisch. An den Beratungen nehmen auch Patientenvertreter teil, die sich äußern können, jedoch nicht stimmberechtigt sind. 

  • Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN)