Geschafft –
Legalisierung kommt

Reichstagsgebäude am Spreeufer im Parlamentsviertel in der Abenddämmerung. Foto: Jörg F. Müller

Die Bundesländer haben den Weg für die Legalisierung von Cannabis freigemacht. Der Bundesrat entschied sich am Freitag gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses und billigte damit das bis zuletzt umstrittene Cannabis-Gesetz. Mit dem Gesetz der Ampel-Koalition werden der Konsum sowie in begrenzter Menge Besitz und Anbau der Droge für Erwachsene erlaubt. Für Minderjährige bleibt er verboten. Es kann wie geplant zum 1. April in Kraft treten.

Aus den Bundesländern kamen bis zuletzt zahlreiche Bedenken. Sie müssen die neuen Regeln umsetzen, ihre Einhaltung kontrollieren und eine Amnestie für Cannabis-Vergehen umsetzen, die nach neuem Recht nicht mehr strafbar sind. Die Länderkammer hätte das Gesetz nicht ablehnen, aber den Vermittlungsausschuss anrufen können. Ein Vermittlungsverfahren hätte die Reform zumindest verzögert. Unionsgeführte Länder hatten angekündigt, ein Vermittlungsverfahren für eine Blockade nutzen zu wollen. Die Union lehnt die Liberalisierung ab.


Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte vor der Sitzung erklärt, er wolle auf die Bedenken der Länder eingehen und Vereinbarungen in einer Protokollerklärung festhalten. Darin soll er mehrere Millionen Euro für die Suchtprävention versprochen haben. Außerdem sollen Cannabis-Anbauvereine nicht mehr jährlich durch die Länder kontrolliert werden. Die Rede sei jetzt nur noch von regelmäßigen Kontrollen, berichtete ZDFheute online, dem die Protokollnotiz vorlag. (rd).

(Aktualisierung vom 22.3.)

Der Bundestag hat die teilweise Legalisierung von Cannabis beschlossen. Die Abgeordneten stimmten am 23. Februar im Bundestag in namentlicher Abstimmung dem Cannabis-Gesetz der Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP zu. Der Verabschiedung ging eine turbulente Debatte voraus. Union und AfD lehnen die Reform strikt ab. Und noch ist nicht klar, ob die Legalisierungspläne, wie geplant, ab April umgesetzt werden. Das Gesetz könnte im Vermittlungsausschuss landen und sich verzögern. Die Unions-Innenminister erwägen eine Klage und kündigen eine restriktive Umsetzung der neuen Regeln an.

407 Abgeordnete stimmten im Bundestag mit Ja, 226 lehnten das Gesetz ab. Bei 637 abgegeben Stimmen gab es vier Enthaltungen. Nein-Stimmen kamen auch aus den Reihen der Ampel-Fraktionen. Deutliche Kritik hatte kurz vor der Abstimmung noch Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) geäußert. Der Gesetzentwurf zur Teillegalisierung sei „total kompliziert und praxisuntauglich“ , sagte sie dem Radiosender NDR Info. Der Entwurf könne nicht alle Probleme lösen, sei aber ein Meilenstein in Richtung einer vernunftgeleiteten Drogenpolitik, verteidigte etwa Dr. Kirsten Kappert-Gonther in der Bundestagsdebatte den Entwurf.

Ziel des Gesetzes ist, den Konsum für Erwachsene sicherer zu machen, Jugendliche besser zu schützen und Polizei und Justiz zu entlasten. Unter anderem Ärzte- und Richterverbände warnen vor Fehlentwicklungen und Mehrbelastungen für das Gesundheitswesen und die Justiz. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) kritisiert das Gesetz weiterhin, teilte sie unmittelbar nach der Abstimmung mit„. Ihre zentralen Punkte: „die zu niedrige Altersgrenze, die zu hohen Mengen und die unzureichenden Mittel für Prävention und Forschung. Die Fachgesellschaft plädiert dafür, dass das Gesetz im Vermittlungsausschuss überarbeitet wird.”

Bundesländer wollen Inkraftreten verschieben

Im Bundesrat – der nicht zustimmen muss – mehren sich unterdessen die Anzeichen, dass die Länder das Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes verschieben wollen. Drei Ausschüsse des Bundesrats empfehlen, zu dem Gesetz den Vermittlungsausschuss anzurufen, wie aus den Vorlagen für die nächste Sitzung der Länderkammer am 22. März hervorgeht. Die Unions-Innenminister in den Bundesländern wollen eine Klage gegen das Gesetz prüfen.

Der federführende Gesundheitsausschuss sowie der Innen- und der Rechtsausschuss des Bundesrats machen zahlreiche Bedenken geltend. Der Gesundheitsausschuss empfiehlt, das Inkrafttreten des Gesetzes vom 1. April auf den 1. Oktober dieses Jahres zu verschieben. Die Bundesländer könnten die neuen Regeln nicht bis zum 1. April umsetzen, heißt es. Zudem seien viele Vorgaben generell nicht praxistauglich.

Problem: Rückwirkender Straferlass

Dem Rechtsausschuss des Bundesrats zufolge ist es den Staatsanwaltschaften der Länder unmöglich, den rückwirkenden Straferlass kurzfristig umzusetzen. Es müssten Zehntausende Urteile wegen des Konsums oder Besitzes von Cannabis einzeln überprüft werden. Bezweifelt wird auch, dass der nachträgliche Straferlass rechtens ist.

Die Gesundheitsministerien der Länder halten zudem die erlaubten Mengen für zu hoch. Bis zu 50 Gramm getrocknetes Cannabis im Monat entspreche dem Konsum von Jugendlichen, die wegen ihrer Cannabisabhängigkeit behandelt werden, argumentiert der Gesundheitsausschuss. Die Kontroll- und Abstandsregeln zum Schutz Jugendlicher seien unpraktikabel. Außerdem soll der Besitz am 1. April legalisiert, der legale Anbau in größerem Umfang aber erst zum Sommer zugelassen werden. Das führe dazu, dass Schwarzmarkt-Cannabis zumindest in einer Übergangszeit legal mitgeführt und zu Hause aufbewahrt werden könne.

Unions-Länder kündigen strengen Vollzug in ihren Ländern an

Die Innenminister von CDU und CSU wollen eine Klage gegen das vom Bundestag im Februar verabschiedete Gesetz prüfen. Es sei an vielen Stellen unscharf, sagte der Sprecher der acht Unions-Minister, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), am Dienstag nach einem Treffen in Berlin. Das Gesetz enthalte eine unüberschaubare Zahl an Tatbeständen, die Vielzahl von Detailregelungen verursache Rechtsunsicherheiten.

„Wir waren uns einig, dass auf die Strafverfolgungs- und Ordnungsbehörden der Länder schwierige zusätzliche Aufgaben und ein immenser Aufwand zukommen“, sagte Herrmann nach dem Treffen und machte sich für ein Vermittlungsverfahren stark. Die Unions-Minister warnten zudem vor einem wachsenden Schwarzmarkt. Der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) sagte, durch die Legalisierung von Cannabis werde die Zahl der Konsumenten steigen.

Die Unions-Innenminister kündigten als Konsequenz, sollte das Gesetz nicht zu verhindern sein, einen strengen Vollzug in ihren Ländern an. Die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) sagte nach einer Kabinettssitzung in München, eine zentrale Kontrolleinheit werde den Anbau von Cannabis im Freistaat streng überwachen. (epd)

Die wichtigsten der geplanten Änderungen:

  • BESITZ: Zum eigenen Verbrauch dürfen Erwachsene über 18 Jahren in der Öffentlichkeit bis zu 25 Gramm Cannabis bei sich haben. Zu Hause dürfen bis zu 50 Gramm getrocknetes Cannabis aufbewahrt werden. Insgesamt darf eine Person höchstens 50 Gramm besitzen, nicht etwa 75 Gramm. Überschreitungen von fünf Gramm (unterwegs) bzw. zehn Gramm (zu Hause) werden als Ordnungswidrigkeit geahndet. Auf den Besitz größerer Mengen steht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Privat dürfen bis zu drei Cannabis-Pflanzen angebaut werden.
  • KONSUM: Kiffen in der Öffentlichkeit, etwa auf Plätzen, in Parks oder auf der Straße ist von 20 bis 7 Uhr erlaubt – also von 7 bis 20 Uhr verboten. Grundsätzlich verboten ist Cannabis-Rauchen in Sichtweite von Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie Sportplätzen (Umkreis von 100 Metern). Cannabis-Konsum in Anwesenheit von Kindern und Jugendlichen ist auch im privaten Umfeld verboten.
  • CANNABIS-CLUBS: Mit behördlicher Erlaubnis dürfen als Vereine organisierte Clubs mit bis zu 500 Mitgliedern Cannabis-Pflanzen anbauen. Die Clubs sind neben dem privaten Anbau die einzige legale Bezugsquelle. Auch wer nur gelegentlich kifft und nicht mehr bei Dealern kaufen will, muss einem Cannabis-Club beitreten. Er kann die Droge auch nicht von einem Clubmitglied beziehen, weil Weitergabe und Verkauf an Jugendliche und an Erwachsene verboten sind.
  • Vereinsmitglieder können bis zu 50 Gramm Cannabis pro Monat erhalten, Menschen zwischen 18 und 21 Jahren bis zu 30 Gramm, mit einem THC-Gehalt von höchstens zehn Prozent. Mitglieder und Nicht-Mitglieder können bei den Vereinen Stecklinge oder Samen für den privaten Anbau kaufen. Kiffen im Vereinstreff ist verboten. Die Clubs müssen Auflagen erfüllen und Jugendschutzkonzepte vorlegen. Die Regeln für Cannabis-Clubs treten am 1. Juli in Kraft, um den Bundesländern Zeit zur Vorbereitung zu geben.
  • MINDERJÄHRIGE: Besitz und Konsum von Cannabis bleiben verboten, werden aber nicht strafrechtlich verfolgt. Werden Jugendliche mit Cannabis erwischt, muss die Polizei die Eltern informieren und in schwierigen Fällen die Jugendämter einschalten. Nach gut einem Jahr sollen die Auswirkungen der Teillegalisierung auf den Jugendschutz erstmals überprüft werden.
  • SCHWARZMARKT: Dealen bleibt strafbar, für alle, auch für Minderjährige. Einige Strafen werden verschärft, mit dem Ziel, den Jugendschutz zu verstärken. So wird etwa der Verkauf von Cannabis an Minderjährige mit mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe statt bisher einem Jahr geahndet.
  • JUSTIZ: Laufende Verfahren wegen Vergehen, die nach dem Cannabis-Gesetz nicht mehr strafbar sind, müssen eingestellt werden. Strafen, die noch nicht vollstreckt sind und nach neuem Recht keinen Bestand haben, werden erlassen. Frühere Straftaten müssen auf Antrag der Betroffenen aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden, wenn sie nach neuem Recht nicht mehr strafbar sind. Eine Entscheidung über THC-Grenzwerte im Straßenverkehr wird bis Ende März erwartet.
  • NÄCHSTER SCHRITT: Anders als geplant, wird es vorläufig keine Geschäfte geben, die Cannabis verkaufen. Dazu will Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) einen weiteren Gesetzentwurf vorlegen. Geplant ist, den Verkauf in Apotheken oder staatlich lizenzierten Geschäften in Modellregionen zu erproben. Ursprünglich wollte die Ampel-Koalition den kontrollierten Verkauf von Cannabis bundesweit ermöglichen. (epd)