Der Film „Capernaum” sticht durch erschütternde Authentizität hervor: Gedreht in den Slums von Beirut dreht sich die Fabel, die am 17. Januar in die Kinos kommt, um die brutale Wirklichkeit, in der hier Kinder groß werden müssen – zwischen Illegalität, Ausbeutung und vor allem Misshandlung. Nichts ist erfunden. Die libanesische Regisseurin Nadine Labaki hat drei Jahre für „Capernaum” recherchiert, in Armenvierteln, Besserungsanstalten und Jugendgefängnissen. Und die Ergebnisse in eine Fiktion verwandelt, die bereits viele Lorbeeren einheimste: „Capernaum- Stadt der Hoffnung” wurde beim Filmfestival in Cannes minutenlang mit stehenden Ovationen gefeiert und vom Libanon ins Oscar-Rennen als bester nicht-englischsprachiger Film geschickt.
Der Hauptdarsteller Zain (Zain Al Rafeea) ist zwölf Jahre alt. Zumindest wird er auf dieses Alter geschätzt. Der Junge hat keine Papiere und die Familie weiß auch nicht mehr genau, wann er geboren wurde. Nun steht er vor Gericht und verklagt seine Eltern, weil sie ihn auf die Welt gebracht haben, obwohl sie sich nicht um ihn kümmern können. Dem Richter schildert er seine bewegende Geschichte: Was passierte, nachdem er von zu Hause weggelaufen ist und bei einer jungen Mutter aus Äthiopien Unterschlupf fand und wie es dazu kam, dass er sich mit ihrem Baby mittellos und allein durch die Slums von Beirut kämpfen musste.
Das ist der Rahmen, in dem „Capernaum” spielt. Ein Film, der den Zuschauer in die Hölle entführt – eine, in der kleine Mädchen mit elf zwangsverheiratet werden und Jungs arbeiten müssen statt in die Schule zu gehen. Und in der Eltern auch in beengtesten und ärmlichsten Verhältnissen viele Kinder bekommen, auch wenn sie sie nicht versorgen, vielleicht nicht mal lieben können, so die Anklage. Es ist eine universelle Anklage durch die Augen eines Kindes, das seine Eltern anklagt und mit ihnen eine ganze Gesellschaft, die solche Geschichten zulässt.
„Capernaum” kommt übrigens aus dem Hebräischen und bezeichnet „eine ungeordnete Ansammlung von Objekten, einen Ort voller Chaos”, wie es im Presseheft heißt. Dort wird auch von einem Happy-end für den Darsteller der Hauptrolle berichtet: Zain al Rafeea, der den Zain spielt, lebte als syrischer Flüchtling mit seinen Eltern in Beirut. Wie im Film ging er nicht zur Schule und arbeitete für einen Supermarkt. Mit Hilfe des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen konnten er und Familie inzwischen nach Norwegen auswandern, wo Zain endlich eine Schule besuchen darf.
„Capernaum”, ab 17. Januar.