Filmreifes Kollektiv

Ein Zeitzeuge zeigt ein Bild aus Studentenzeiten.

Ein Highlight der Internationalen Filmfestspiele 2018 in Berlin war der Dokumentarfilm „SPK Komplex“, der bei der Berlinale Weltpremiere feierte und im April ins Kino kommt.  Geschildert wird die Entwicklung des 1970 in Folge der Studentenbewegung gegründeten Sozialistischen Patientenkollektivs (SPK) in Heidelberg. Hier wurden nicht nur umstrittene Therapiemethoden praktiziert: Die Ideen der Antipsychiatrie im Kopf und von einem Zusammenhang zwischen Kapitalismus und psychischen Erkrankungen überzeugt, ging es auch darum, die „krankmachende privatwirtschaftlich-patriarchalischen Gesellschaft“ abzuschaffen. Einige SPK-Mitglieder tauchten später in der RAF ab.

Alles begann als selbstorganisiertes gruppentherapeutisches Experiment des Psychiaters Wolfgang Huber mit Psychiatriepatienten. Es wurde Hegel-Lektüre und Einzelagitation betrieben. Politisch radikalisierte sich das Kollektiv zunehmend, für einige endete das Ganze mit Strafprozessen, andere Mitglieder führte der Weg in die RAF.

Der Dokumentarfilmer Gerd Kroske hat aufwendig recherchiert – in Akten des Innenministeriums, der Universität, Pressefotos und TV-Beiträgen, bei Ausflügen nach Stammheim und Italien sowie über Gespräche mit Ehemaligen von SPK bzw. RAF, Anwälten und Staatsschutz. So entsteht „ein präzises Bild des gesellschaftlichen Klimas im Deutschen Vor-Herbst“, heißt es auf der Berlinale-Homepage. Vor allem aber komme „dank der gekonnten Gesprächsführung eine echte Begegnung mit den Menschen vor der Kamera zustande: Wie sie sich und das SPK rückblickend sehen, wo sie Zeugnisse aus jener Zeit hervorkramen und ob ihr Widerstand ins Heute reicht.“

Der freischaffende Autor und Regisseur Gerd Kroske wurde 1958 in Dessau geboren und studierte Kulturwissenschaften an der Humboldt-Universität in Berlin und Regie an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg. Der Psychiatrie begegnete er bereits 2012 bei seinen Recherchen für den Film „Heino Jaeger – Look Before You Kuck“. Heino Jaeger gehörte als Maler und Satiriker lange Zeit einem anarchistisch-künstlerischen Milieu rund um die Hamburger Anti-68er-Strömung an. Gerd Kroskes Dokumentarfilm über das künstlerische Vorbild von Olli Dittrich begibt sich auch auf die Suche nach Ursachen, warum Jaeger alkoholabhängig wurde und mit nur 59 Jahren in psychiatrischer Behandlung starb. (s.a. http://eppendorfer.de/look-before-you-kuck/)

Der SPK Komplex (111 Minuten) soll am 19. April regulär ins Kino kommen.