Im Alter von 102 Jahren schrieb Ingeborg Syllm-Rapoport noch einmal Geschichte: Die frühere Professorin für Pädiatrie an der Kinderklinik der Charité in Ost-Berlin, die von 1969 bis 1973 Inhaberin des ersten europäischen Lehrstuhls für Neonatologie (Neugeborenenmedizin) war, holte an der Hamburger Universität ihre Promotion nach – 80 Jahre nach Anfertigung ihrer Doktorarbeit und 77 Jahre nachdem sie dort wegen jüdischer Vorfahren mütterlicherseits nicht zur mündlichen Prüfung zugelassen wurde. Die Prüfung bestand sie mit der Gesamtnote magna cum laude. Am 13. Dezember würdigt das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf die 2017 gestorbene Jahrhundertfrau und ihren Mann, den Biochemiker Samuel Mitja Rapoport, mit einem Colloquium im Medizinhistorischen Museum (Gebäude N30).
Die Veranstaltung beginnt mit einem Vorprogramm. Ab 15.30 Uhr wird die Fernsehdokumentation „Die Rapoports – unsere drei Leben“ von Sissi Hüetlin und Britta Wauer gezeigt, die 2005 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Der Film zeichnet den Lebensweg des Ehepaars durch die verschiedenen politischen Systeme nach. Ingeborg Rapoport musste 1938 in die USA emigrieren, wo sie ihren Mann kennenlernte. 1952 siedelten beide, überzeugte Kommunisten, in die DDR über, wo sie Karriere machten und Ingeborg Rapoport zu einer der renommiertesten KinderärztInnen ihrer Zeit aufstieg. Ihrer sozialistischen Überzeugung blieb Rapoport, selbst SED-Mitglied, auch nach dem Zusammenbruch der DDR treu.
Ab 16.30 wird das Bläserquintett des Hamburger Ärzteorchesters aufspielen, bevor um 17 Uhr das Rapoport-Colloquium beginnt. Teil 1 umfasst eine historische Würdigung des wissenschaftlichen und politischen Lebens und Wirkens des Ehepaares Rapoport in ihrer Zeit als international renommierte Ärzte. Stichwortartig lassen sich hier nennen: Senkung der Säuglingssterblichkeit in der DDR und Gründung der Neonatologie von globaler Bedeutung, Ausbildung von Ärzten aus Ländern in Afrika, Lateinamerika und Asien, Entwicklung der Biowissenschaften der DDR, Familie, Beruf und politischer Alltag in verschiedenen Ländern, u.a. als Mitglieder der Kommunistischen Partei, Exil in den USA nach dem Machtantritt des Faschismus in Deutschland.
Und dann: Verlassen der USA unter den Bedingungen des verschärften Antikommunismus in der McCarthy-Ära, Entscheidung für die im Aufbau befindliche DDR, nach dem Ende der DDR nach 1989/90 Fortsetzung der Unterstützung der Bewegung für Frieden und Abrüstung. Im zweiten Teil geht es um das Wirken von Inge und Mitja Rapoport als Vorbilder für Antifaschismus und Medizin heute und um politische Fragen, z.B. wie unter den Bedingungen von Privatisierung und verschärfter Ökonomisierung im Gesundheitswesen den Tendenzen entgegengewirkt werden kann, Gesundheit zur Ware zu machen.
Prof. Dr. Dr. Uwe Koch-Gromus, Dekan der medizinischen Fakultät des UKE, begrüßt als Gastgeber Prof. Richard Sorg, Prof. Jürgen Scheffran, Klaus Hartmann, Dr. Daniel Rapoport, Prof. Gisela K. Jacobasch, Prof. Herbert Kreibisch, Dr. Iris Rapoport, Dr. Hans Christoph Stoodt, Prof. Norman Paech sowie Pflegerinnen und Pfleger, Aktivisten für Frieden und Antifaschismus, Ärztinnen und Ärzte und Studierende.