Es gebe ein großes strukturelles Problem am UKE und an vielen anderen Kliniken, kritisiert Prof. Thomas Bock in einem aktuellen Interview mit der ZEIT:Hamburg. Die Stationen seien zu groß. „Die Psychiatrie-Enquete empfiehlt maximal 18 Betten. Allein in der geschlossenen Akutstation des UKE standen bis vor Kurzem noch 34 Betten. Wenn so viele Patienten zusammen untergebracht sind, potenziert sich die Unruhe und letztlich auch das Gewaltpotenzial auf der Station. Was aber nicht an aggressiver werdenden Patienten liegt, sondern an den idiotischen Behandlungsbedingungen“, so Bock in dem komplett im Internet zugänglichen Interview .
Bock spricht sich dagegen für sogenannte Soteria-Stationen Stationen mit bis zu 12 Plätzen aus, in denen das Zusammenleben eher an eine Wohngemeinschaft erinnere. Eine solche sei von Professor Jürgen Gallinat, dem Direktor der Psychiatrie des UKE, eigentlich auch für Hamburg geplant gewesen. Doch die Pläne seien ins Stocken geraten, weil die Immobilie fehlte. „Womöglich gelingt es, eine Soteria-Station in die Neubaupläne des UKE zu integrieren, doch ich bin skeptisch. Die Politik sollte hier Druck aufbauen, oder, noch besser, bei der Immobiliensuche helfen“, so Bock. Er setzt sich zudem dafür ein, dass mehr ambulante Hilfe geleistet wird. „In vielen Fällen wäre eine Krisenintervention zu Hause viel sinnvoller. Dort könnten Patienten ihre Routinen beibehalten und würden sich nicht eingesperrt fühlen.“
Er äußerte sich in dem Gespräch auch zu dem Fall des Ende April nach einer Zwangsfixierung durch Sicherheitskräfte verstorbenen der Psychiatriepatienten Tonou Mbobda und kritisierte in diesem Zusammenhang die Klinikleitung: „Die Kommunikation der Klinikleitung war viel zu defensiv. Viele Kollegen waren nach dem Todesfall sehr betroffen, Patienten verunsichert. Es gab eine rege interne Debatte im UKE. Die fand aber gar nicht den Weg nach draußen, denn Presse- und Rechtsabteilung haben alles abgeschottet”, sagt der gerade in den Ruhestand verabschiedete Psychologe, der 40 Jahre lang am UKE war und zuletzt als Professor die Ambulanz für Psychosen und Bipolare Störungen geleitet hat. „Kollektives Schweigen schafft aber erst recht Misstrauen!”
Laut UKE wurde der Patient fixiert, weil er sich der Anordnung zur Unterbringung widersetzte. Bock sagt: „Zum Zeitpunkt des Zugriffs saß der Patient rauchend auf einer Bank auf dem Klinikgelände und war unentschlossen, ob er die Klinik verlassen sollte oder nicht. Die Situation eskalierte, als ein Mann des Wachdienstes ihm eine Hand auf die Schulter legte, um ihn in die Klinik zu bewegen. Dies mag bei einem Suchtpatienten kumpelhaft rüberkommen, in einer Psychose kann eine solche Annäherung als körperliches Eindringen empfunden werden und große Panik auslösen.“
Einen ausführlichen Bericht über die Verabschiedung von Prof. Thomas Bock lesen Sie in der nächsten EPPENDORFER-Printausgabe, die ab dem 5. November an die Abonnenten verschickt wird. Ein kostenloses Probeexemplar können sie anfordern unter: info@eppendorfer.de